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Tochter des Lichts: Ein Hildegard von Bingen-Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Tochter des Lichts: Ein Hildegard von Bingen-Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Titel: Tochter des Lichts: Ein Hildegard von Bingen-Roman (insel taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Lise Marstrand-Jørgensen
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Kirche, damit sie der Messe folgen könne, und einem zweiten, durch das sie Essen und Trinken gereicht bekommen könne. Jetzt ist sie sich darüber klar, dass sie Sorge für das Gedeihen des Kindes tragen muss. Ein Kind braucht Zugang zu frischer Luft und die Möglichkeit, sich zu bewegen, sodass der Körper nicht steif wird, genauso wie das Kind täglich zwei Mahlzeiten anstelle der einen haben muss, mit der die Mönche und sie selbst sich bescheiden. Sie hatte diese Gedanken in Bermersheim geäußert, und Hildebert hatte genickt und hinzugefügt, er könne zwar akzeptieren, dass das Kind das Kloster nicht verlassen dürfe, aber nicht, dass die Welt, für die es zeit seines Lebens beten soll, ihr vollkommen fremd wird. Es ist sein Wunsch, dass Hildegard zum Fluss gehen und sehen kann, wie Fische gefangen werden, die Felder und Wiesen und den Berg sehen kann, auf dem sie leben wird, die Tiere, das Skriptorium, die Weberei, das Infirmarium und den Kräutergarten. Jutta hörte die Vernunft in allem, was er sagte, unterstrich aber, dass sie unter keinen Umständen die Zelle verlassen und das Kind begleiten könne. Ihre eigene Tür zur Welt wird an dem Tag zugemauert, an dem sie hoffentlich ihr neues Klosterleben beginnen kann. Sie kann keinerlei physischen Kontakt mit einem anderen Menschen zulassen, auch nicht mit dem Kind. Es kann eine Öffnung geben zwischen ihrer Zelle und der Kammer des Kindes, aber sie muss vergittert sein, sodass sich nicht einmal ein Kind hindurchzwängen kann. Mechthild hatte kein Wort gesagt, sondern nur mit verschränkten Armen dagesessen und vor sich hin gestarrt, als gehe sie das alles nichts an. Sophia und Hildebert einigten sich, eine fromme Witwe zu finden, die sie ins Kloster begleiten kann. Sie muss alt genug sein, dass die Mönche ihre Anwesenheit im Kloster akzeptieren, geschickt genug, um zur Hand zu gehen,und klug genug, dem Kind keine törichten Ideen in den Kopf zu setzen. Jutta wird sich selbst um Hildegards Ausbildung kümmern: Sie wird sie alles lehren, was sie selbst weiß, mehr ist nicht notwendig. Keine Frau braucht von all den freien Künsten Kenntnis zu haben, es reicht aus, wenn sie imstande ist, Latein zu lesen, schreiben kann für den Hausgebrauch und die Grundlagen der Musik kennt, um die Messen zu verstehen, die Andachtsübungen, Gebete und Psalmen. Darüber hinaus wird sie natürlich die Handarbeit erlernen, und da sie keinen Platz für einen Webstuhl haben werden, will Jutta dem Kind das Sticken beibringen. Darin ist sie selbst gut, und das wird sie in die Lage versetzen, das Kloster mit einem Altartuch und anderen liturgischen Textilien zu versorgen.
    Wenn Jutta mit einer Handarbeit dasitzt, verliert sie sich in Gedanken und legt Pläne zurecht, wie sie die Kleine am besten ausbilden und gleichzeitig in Christus ihren ewigen Bräutigam suchen soll. Erst als alles leuchtend klar vor ihr liegt, schreibt sie an den Erzbischof:
 
    Ehrwürdiger Vater Ruthardt, der Ihr im Namen des Herrn alle Sünde bekämpft und Gottes lebendigen Sohn mit Euren Plänen erfreut, den Disibodenberg zu einem Ort zu machen, an dem der Name des Herrn wieder gefürchtet und geehrt wird wie in des heiligen Sankt Disibods Zeit.
    Ich erlaube mir abermals, Ihr bedeutendes Tun zu stören. Als ich von meinem brennenden Wunsche schrieb, Inklusin auf Sankt Disibods Berg zu werden, hatte mich noch nicht das Ersuchen erreicht, welches mich zwingt, mich nun erneut an Euch zu wenden, noch bevor Ihr Zeit fandet, auf meinen ersten Brief zu antworten.
    Ich weiß, dass die Ehre, die es ist, sich vollkommen aus derWelt zurückziehen und ein Leben in Stille mit Gott leben zu dürfen, für gewöhnlich nicht solch geringen Geschöpfen zuteil wird, wie ich eines bin, die weder die Vollkommenheit des Alters erlangt noch das Klostergelübde abgelegt hat. Dennoch bekräftige ich, dass es mein einziger Wunsch ist, dem Herrn in allem zu dienen, was ich denke und tue. Oft schon habe ich Gott angefleht und gebeten, mir ein Zeichen zu geben, das den Weg, der sich so deutlich in meinem Herzen geöffnet hat, für den Rest der Welt sichtbar werden lässt. Ich weiß nun, dass Gott noch wunderbarere Pläne mit mir hat, als ich es mir zuerst vorgestellt habe.
    Auf Hildebert von Bermersheims Anerbieten hin habe ich ihn und seine gottesfürchtige Frau, Mechthild von Merxheim, in ihrem Heim besucht. Dort hatte ich Gelegenheit, ihrer jüngsten Tochter zu begegnen, Hildegard. Obschon sie gerade erst in ihr neuntes Jahr eingetreten

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