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Tochter des Nordens: Historischer Roman (German Edition)

Tochter des Nordens: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Tochter des Nordens: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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vor allem Faulheit, weil ihm Töten offenbar eine ebenso lästige Pflicht war, wie Feuer zu machen oder ein erlegtes Tier auszunehmen.
    Taurin musterte ihn kalt. Er kannte diesen Mann. Ein Franke war er wie er - und obendrein ein Mönch, doch er hatte dem Christentum abgeschworen und sich den heidnischen Göttern anheimgegeben.
    Taurin verachtete ihn, obwohl oder gerade weil er ihm so ähnlich war. Dem Christentum abgeschworen hatte er selbst nie, aber auch er hatte sich den Nordmännern angedient und sich ihnen vermeintlich mit Haut und Haar übergeben, um nicht zu sterben - anders als diese beiden Franken, die nichts vor dem Tod bewahren konnte.
    Er unterdrückte ein Seufzen. Jedes Mal, wenn er erlebte, dass Franken durch die Hand von Nordmännern starben, dachte er, dass sein Herz endgültig versteinert wäre und dass ihn nichts mehr erschüttern konnte. Doch als er das Zeichen gab, ihnen die Köpfe abzuschlagen, fühlte er nur Ekel und Trauer. Vor allem aber, und das war das Schlimmste, krochen Erinnerungen in ihm hoch wie Schlangen aus einem tiefen, kalten Brunnen, an dessen Boden modriges Wasser stand - nur eine bräunliche faulige Brühe.
    Die Angreifer aus dem Norden ... die Geißel Gottes ... Er war damals noch so jung gewesen und die Feinde so zahlreich. Sie kämpften nicht wie Könige, sondern wie Bauern. Pflügten mit Streitäxten durch Menschenmassen und schlugen mit grimmigem Gesicht wahllos auf ihre Opfer ein, als gelte es, harten Boden aufzuwühlen. Sie brachten Zerstörung und Tod. Und sie waren gekommen, um seine Geliebte zu vernichten ... um zu töten ...
    Ein Würgen stieg ihm hoch. Damit man es nicht merkte, befahl er mit harter Stimme: »Nun macht schon!«
    Und die grobschlächtigen Männer zögerten nicht länger. Nicht nur Taurins Blicke folgten ihnen, als sie die Franken weg vom Grund und Boden des Bischofs vor Rollos Palatium zerrten. Der Aufruhr im Hof hatte auch Rollos Leibgarde herbeigelockt. Obwohl diese Männer rangmäßig weit über ihm standen, überließen sie ihm das Vorrecht des Befehls, die Männer töten zu lassen.
    Als wäre es eine besondere Gnade, dachte Taurin missmutig und trat zurück.
    Die beiden Franken knieten. Er hatte nicht gesehen, ob sie gewaltsam dazu gezwungen werden mussten oder freiwillig aufgaben. So oder so hörte er keinen Schrei, nur das Ächzen desjenigen, der zuschlug, und das dumpfe Geräusch, als ein Kopf auf den Boden fiel, dann der andere. Es war ein schrecklicher, quälender Laut. Wieder musste er würgen.
    Zumindest - und mit diesem Gedanken suchte er seiner Abscheu Herr zu werden - zumindest starben diese Männer den Tod eines Kriegers. Er hatte schon gesehen, wie Franken grässlichere Tode durch Nordmännerhand starben. Gehängt ... verbrannt ...
    Sie droschen auf Schädel wie auf Ähren - nur mit dem Unterschied, dass Blut und Gehirn quoll, kein Korn. Sie schlugen Arme und Beine ab wie die Äste eines morschen Baums. Sie waren groß und schön, aber ungeschlacht.
    Taurin warf einen letzten Blick auf die Enthaupteten und wandte sich ab. Immer noch schnürte Widerwille seine Kehle zu, doch sein Mund verzog sich jäh zu einem Lächeln. Der Tod der Männer war grausam - sinnlos aber nicht, vielmehr der Beweis dafür, dass zwischen den Völkern kein Frieden herrschte, nur ein Waffenstillstand. Wer die Grenze überschritt, musste sterben. Wer glaubte, dass mit Saint-Clair-sur-Epte alles gut wurde, irrte.
    Er wollte zurück zum Bischofspalatium gehen, um sich der Suche nach dem Mädchen, der Prinzessin, zu widmen, als ein junger Mann auf ihn zulief, Teil seiner Truppe und wie Popa aus Bayeux stammend. Taurin hatte ihn beauftragt, das Mädchen zu suchen.
    »Ich habe sie nirgendwo gefunden!«, rief der Mann atemlos.
    Taurins Gesicht verdüsterte sich. »Was soll das heißen?«, fuhr er auf.
    »Dass sie wie vom Erdboden verschwunden ist! Allerdings habe ich einen der Pferdeknechte gesehen, der ein Mädchen in den Kerker brachte. Sie hat offenbar etwas gestohlen - und sie trug die Kleidung einer Dienstmagd. Du sagtest doch, das Mädchen gliche einer solchen.«
    Die Düsterkeit schwand wieder aus Taurins Miene.
    »Vielleicht ist sie das!«, rief er triumphierend.
    Popa würde bekommen, was sie wollte, aber er auch - nämlich Rache für seine Schöne, die so schrecklich leiden musste. Bevor er diese Rache nicht bekam, würde er niemals Frieden finden - und keinem anderen Frieden gönnen.
    Runa versuchte erneut, mit der Fremden zu reden, aber konnte sich ihr

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