Tochter des Schweigens
Fehlschlag seiner Ehe, seiner Sehnsucht nach einem Sohn und von seiner Tochter ; die statt dessen zur Welt kam.
»Ich habe die Äpfel von Sodom gegessen, mein Freund«, sagte er, »aber ich trauere ihnen nicht allzusehr nach, weil ich mich immer noch an den guten Geschmack erinnere.« über Valeria sagte er düster:
»Ich habe versucht, ihr Weisheit beizubringen, für den Tag, an dem die Liebe sie im Stich lassen würde. Ich habe zu spät erkannt, daß meine Liebe sie zuerst im Stich gelassen hat. Ich wollte in ihr das besitzen, was ihre Mutter mir nicht hatte geben können. Was ich am Ende fand, war eine Nachbildung meiner selbst. Aber …« Er zuckte die Schultern und machte eine Geste des Bedauerns. »So ist das Leben. Man muß es mit Anmut tragen oder mit Würde ablegen. Ich habe mich entschlossen, es zu tragen.«
Landon konnte nichts dazu sagen. Er konnte Ascolini weder trösten noch verdammen und stellte nur die Frage:
»Denken Sie, die Ehe von Carlo und Valeria kann jemals wieder in Ordnung kommen? Wird sie sich jemals mit ihm begnügen?«
»Ich weiß es nicht. Wie die Dinge jetzt liegen, sieht es aus, als wäre Carlo der Liebende, während sie seine Liebe nur annimmt, ohne Wert darauf zu legen. Es ist möglich, daß sie, wenn er sich zurückzieht, Angst bekommt und danach trachtet, seine Liebe zu behalten. Wenn nicht – wer weiß? Es gibt Frauen, die mit ihren Herzen spielen und dabei trotzdem ganz zufrieden zu sein scheinen.«
»Interessiert Sie, wie es ausgeht?«
Er blickte Landon kalt an und sagte mit Nachdruck:
»Und ob! Wenn auch vielleicht nicht aus dem Grund, aus dem Sie denken. Ich wünsche, daß die Ehe dauerhaft ist – und so glücklich wie nur möglich. Nicht um Carlos willen. Nicht wegen Valeria. Sondern weil ich ein Enkelkind haben möchte – wenigstens den Anschein der Dauer.« Bevor Landon etwas dazu sagen konnte, redete er rasch weiter. »Und darum habe ich Sie heute hierhergebeten. Ich möchte, daß Carlo weiß, daß er in diesem seinem ersten Fall ebenso wie bei Valeria mit meiner Unterstützung rechnen kann.«
Landon sah ihn mit unverhohlenem Zweifel an. Alles, was in den letzten achtundvierzig Stunden geschehen war, strafte Ascolini Lügen. Als hätte er Landons Gedanken gelesen, zog Ascolini einen Umschlag aus der Tasche und schob ihn über den Tisch.
»Ich möchte Sie bitten, Carlo das zu geben. Es sind ein Scheck über eine Million Lire darin und ein paar Notizen, die ich zu dem Fall gemacht habe. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie Carlo meine Haltung erklären und ihm raten würden, Geld und Rat im Interesse seiner Mandantin anzunehmen. Werden Sie es tun?«
»Nein!«
»Sie glauben mir nicht? Ist es das?«
»Ich glaube, Sie verkennen die Lage.«
»Wieso?«
»Zunächst einmal glaube ich nicht, daß Carlo es annehmen wird. Zweitens würde er sich, wenn er annehmen würde, wieder in Ihre Schuld begeben. Seinen Triumph – falls er ihn erringen sollte – würde er wieder, mindestens zum Teil, Ihnen danken müssen.«
»Glauben Sie, das will ich erreichen?«
»Nein. Aber Sie haben ja selber gestanden, daß Sie Gebrauch davon machen würden. Die alten Bullen, nicht wahr?«
Ascolini starrte lange schweigend auf den Tisch und zeichnete mit der Gabel Muster auf das weiße Tischtuch. Dann steckte er den Umschlag wieder in die Tasche und sagte leise:
»Vielleicht haben Sie recht, Landon. Sie haben keinen Grund, mir zu trauen, und ich habe kein Recht, meine Eitelkeit zu schonen, indem ich Sie zum Boten mache. Wollen Sie mir wenigstens einen Gefallen tun?«
»Wenn ich kann, gern.«
»Sagen Sie Carlo, was ich gesagt habe. Was ich angeboten habe.«
»Sie sehen ihn ja jeden Tag. Warum sagen Sie es ihm nicht selber?«
»Ich hoffe, Sie können es ihm besser erklären als ich.«
»Ich will's versuchen – aber ich kann nicht sagen, wie er es aufnimmt.«
»Selbstverständlich nicht. Wer könnte das? Wer könnte sagen, daß das Urteil, das man von sich selber hat, nicht nur von dem Bedürfnis diktiert wird, das Leben erträglich zu machen?« Er lächelte Landon kühl an. »Sie zum Beispiel, Landon, Sie können eine Seele auseinandernehmen und zusammenbauen wie ein Uhrmacher ein Uhrwerk. Haben Sie schon einmal versucht, sich zu erklären, warum Sie sich so tief in unsere Angelegenheiten eingelassen haben?«
Die Erkundung war so geschickt vorgetragen, daß Landon über ihre Virtuosität lachen mußte. Im übrigen war es eine faire Frage, die eine faire Antwort verdiente. Er
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