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Tochter des Windes - Roman

Tochter des Windes - Roman

Titel: Tochter des Windes - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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Hier ziehen sich die Leute gerne gut an; geben auch viel Geld für Klamotten aus. Am Wochenende nehmen sie es lockerer, aber nach wie vor mit Stil. Die Straßen sind sauber, in den Parkanlagen wuseln permanent irgendwelche älteren Leute mit weißen Handschuhen und Schirmmütze, die unentwegt fegen und harken. Jedes Papierchen wird sorgfältig aufgespießt. Mia sagte, das seien Rentner, die ein paarmal in der Woche eine sinnvolle Beschäftigung in frischer Luft suchen. Tokio ist eine Stadt, die vor Sauberkeit
glänzt. Chaoten werden streng an ihre Bürgerpflicht erinnert. Wer sprayt, muss die Wand sauber machen oder den Anstreicher aus eigener Tasche bezahlen. In der schönen Jahreszeit übernachten die Penner draußen, verstauen bei Sonnenaufgang ihr Zeug in Einkaufstaschen, legen ihre Kartons in akkurate Schichten, falten ihre Decken akribisch zusammen. Jetzt im Winter sind die Nächte kalt. Die Polizei bringt die Penner in Sammelstellen, damit sie nicht erfrieren. Sehen sie zu dreckig aus, stellt man sie »manu militari« unter die Dusche, untersucht sie nach Läusen und schrubbt sie ab. Dann gibt man ihnen neue Kleider, ein paar Mandarinen noch dazu und setzt sie wieder in freier Wildbahn aus. Hygiene muss sein. Und so läuft alles wie am Schnürchen. Das Nachtleben ist schwer pornografisch, aber, wie Hans Albers es zu Großmutters Zeiten sang: »Das kann doch einen Seemann nicht erschüttern.« An der Reeperbahn tut sich schließlich auch was. Nichts Neues also unter dem Neonhimmel. Die Politik, fragst du. Das übliche demokratische Wischiwaschi, mit dem gravierenden Unterschied, dass sich die Abgeordneten für jeden Fauxpas mit zutiefst zerknirschter Miene entschuldigen … bevor alles wieder von vorne losgeht! Sind Wahlen, fahren die Abgeordneten in zumeist gelben Wagen durch die Straßen, machen durch Lautsprecher und mit viel Musikgeschmetter Versprechen, die sie nicht halten werden. Der Bürger, der genau im Bilde ist, hört eine Weile gelangweilt zu, bevor er unbeteiligt davongeht. Japan hat, wie du weißt, eine Kaiserdynastie, die ihre Abstammung direkt von der Sonnengöttin ableitet. Früher waren diese Herrscher  – Männer oder Frauen  – Hohepriester und politische Machthaber in einem. Die Funktion änderte sich im Laufe der Jahrhunderte. Die Militärmacht drängte den kaiserlichen Hof buchstäblich hinter die Wolken mit der respektvollen Bitte, diejenigen,
die das Land regierten, nicht zu stören. Sie haben trotzdem mitgemischt, der verstorbene Kaiser überstand tief beleidigt die Niederlage im 2. Weltkrieg, worin er, wie inzwischen bekannt, seine Hand im Spiel hatte. Heutzutage gehört das unentwegt sanft lächelnde Kaiserpaar zur hiesigen Landschaft. Beide sind klein gewachsen, bescheiden, wie silbrig überpudert, ihre Schritte und Bewegungen scheinen wie im Zeitlupentempo aufeinander abgestimmt. Sie haben eine sehr herzliche Art zu sprechen, zeigen echtes Interesse und echte Teilnahme. Man mag beide gut leiden.
    Du willst ferner wissen, ob Tokio ein gefährliches Pflaster ist. Ich kann dich beruhigen: Das Risiko, auf offener Straße überfallen und ausgeraubt zu werden, ist geringer als vergleichsweise in Hamburg. Taschendiebe gab es bis vor Kurzem so gut wie keine. Dafür hat jede japanische Großstadt ihre Mafia, die sie in Filmen und Krimis sattsam verherrlicht. Die Yakuza erkennst du von Weitem: Wet-Frisuren, schwarze Anzüge, rote Polopullover oder eng anliegende Hemden. Dazu mehr Goldschmuck als die Sizilianer. Sie blicken grimmig in die Welt und sind vom Scheitel bis zur Sohle tätowiert, was aussieht, als wären sie mit Blaubeermarmelade verschmiert. Das organisierte Verbrechen kontrolliert Spielhöllen, Kasinos und Pachinko-Hallen, Pferderennen, Bordelle, gewisse Imbissstuben und Autowerkstätten. Sie mischen sich auch  – mit hohen Schmiergeldern  – in die Politik ein. Was ihnen nicht in den Kram passt, ist, dass sie neuerdings von allen Seiten Konkurrenz haben: die koreanische Mafia, die chinesischen Triaden, alle illegal eingeschleust. Sie kommen auch mit einem Touristenvisum, machen regelrechte Razzien in Kaufhäusern und verlassen das Land, beladen mit reicher Beute. Die Yakuza sind schockiert, weil die Neuankömmlinge auch bei alten Leuten einbrechen, sie misshandeln und ausrauben.
Oder die Eisendeckel der Kanalisationen bei Nacht

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