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Tod am Kanal

Tod am Kanal

Titel: Tod am Kanal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Nygaard
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rasend schnell. Obwohl der Lokführer sofort
reagierte und die Schnellbremsung einleitete, überfuhr er das Bündel, das auf
den Schienen lag. Das tiefe Brummen der Dieselmotoren in seinem Rücken
unterdrückte jedes Kollisionsgeräusch. Es gab keinen Schlag, keinen Aufprall.
Nichts. Die blockierenden Räder kreischten auf dem Stahl der Gleise. Ein
heftiger Ruck ging durch den Zug. Trotzdem dauerte es ewig, bis die Bahn weit
hinter der Brücke zum Stehen kam.
    Immelmann war sich zunächst nicht sicher, ob er einem
Irrtum unterlegen war. Nein. Er hatte wirklich ein Hindernis wahrgenommen. Er
öffnete die Tür seines Führerstandes und kletterte auf den Schotter neben den
Schienen hinab. Dann ging er die wenigen Schritte vor den Zug. Die feuchte
Nebelluft ließ ihn frösteln. In der Dunkelheit war nichts zu erkennen. Die Lok
war unbeschädigt.
    »Was ist los?«, hörte er Dieter Kuhn fragen. Der
Zugbegleiter war ausgestiegen und ebenfalls an die Spitze des Zuges gekommen.
»Warum halten wir?«
    »Ich hatte den Eindruck, da wäre etwas auf den
Schienen gewesen«, sagte Immelmann. »Aber ich sehe nichts.«
    »Quatsch. Vielleicht ein Karnickel, das nicht
weggekommen ist. Oder ein anderes Vieh.«
    Kuhn wollte schon wieder umdrehen, leuchtete dann aber
doch mit seiner Taschenlampe unter die Frontpartie, dort, wo ein stabiler
Metallrahmen Hindernisse vor der Lokomotive wegräumen sollte. Plötzlich fuhr er
zusammen. Jetzt sah es Immelmann auch.
    Vor den Rädern der schweren Maschine hatte sich ein
Mensch verfangen, oder das, was noch von ihm übrig geblieben war.
    »Da … da konnte ich nichts machen«, stammelte der
Lokführer, taumelte und hielt sich am Puffer fest. Auch Kuhn war kreidebleich
geworden.
    »Das gibt’s doch nicht«, murmelte er. »Was machen wir
jetzt?«
    »Wir müssen die Betriebszentrale informieren«, kam es
tonlos über Immelmanns Lippen. Noch immer stützte er sich ab. Dann sah er mit
schreckgeweiteten Augen Kuhn an. »Ich kann doch nichts dafür, Dieter.
Wirklich.«
    Es schien eine Ewigkeit verstrichen, als die beiden
Männer sich so weit gefasst hatten, dass Immelmann in seine Lok zurückkletterte
und Kontakt mit der Fahrdienstleitung aufnahm. Inzwischen waren auch Fahrgäste
in den offenen Wagentüren erschienen.
    »Was is los? Warum geht’s nicht weiter?«, murrten
einige mit verschlafener Stimme.
    Kuhn war zu den Waggons zurückgekehrt, atmete noch
einmal tief durch und gab mit leicht zittriger Stimme über den Lautsprecher
durch: »Liebe Fahrgäste. Aus technischen Gründen wird sich unsere Weiterfahrt
verzögern.«
    Das Geräusch kam aus dem Nichts. Es war nicht
eindeutig. Und es klang hässlich. Irgendwie unnatürlich. Aber es war hartnäckig
und ließ sich weder durch den Versuch, den Geist auf andere Dinge zu
konzentrieren, noch durch eine Veränderung der Lage unterdrücken.
    Christoph hatte den Eindruck, dass es eine Ewigkeit
dauerte, bis er begriff, dass sein Telefon dieses Geräusch verursachte.
Schlaftrunken griff er zum Hörer.
    »Tut mir leid, Herr Johannes, dass ich Sie mitten in
der Nacht wecken muss.«
    Obwohl er mitten aus einer Tiefschlafphase
hochgerissen wurde, erkannte Christoph die Stimme des Kollegen, der in der
Leitstelle der Polizeidirektion Dienst tat.
    »Wir haben einen Notfall. Auf der Eiderbrücke in
Friedrichstadt wurde jemand vom Zug überrollt. Ich habe bereits Harm Mommsen
angerufen. Leider konnte ich Herrn Große Jäger nicht erreichen. Da meldet sich
niemand. Weder über Festnetz noch auf Handy.«
    In Husum gab es keinen ständig besetzten
Kriminaldauerdienst wie in den Großstädten. Das war bei der dünnen
Personaldecke nicht durchführbar. Dafür hatten die Mitarbeiter der Kripo einen
Bereitschaftsdienst organisiert. Und in besonderen Fällen wie diesem war es
selbstverständlich, dass Christoph benachrichtigt wurde.
    »Wo ist das geschehen?«
    »Mitten auf der Brücke über die Eider. Zwischen
Friedrichstadt und Lunden.«
    Christoph sprang aus dem Bett und eilte ins Bad. Auf
dem Weg dorthin wählte er Mommsen an. Der junge Kommissar meldete sich nach dem
ersten Klingeln.
    »Ich habe deinen Anruf erwartet und bin schon fast
unterwegs.«
    Christoph vereinbarte, dass er Mommsen in ein paar
Minuten abholen würde. Dann sprang er unter die Dusche, aus der aber nur
eiskaltes Wasser floss. Obwohl das Haus ebenso betagt war wie Christophs
Vermieterin, hatte die alte Dame vor einiger Zeit eine Nachtabsenkung der
Heizung installieren lassen. Es würde zu lange dauern,

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