Tod am Laacher See
Mundwinkel.
Wärmland reichte ihm die Hand und lächelte zurück. »Ich tu, was ich
kann. Gute Besserung.«
»Moment noch, nicht so schnell. Willst du drüber reden oder lieber
noch nicht?«, fragte Trobisch zu Wärmlands Überraschung.
»Was meinst du?«
»Also deine Mimik und dein Ton sind ganz anders als sonst, wenn wir
unsere verbalen Streicheleinheiten austeilen. Glaubst du, das kann ich
übersehen? Dir geht es nicht gut.«
»Lass uns später drüber reden«, sagte Wärmland und lächelte ein
wenig, weil es sich gut anfühlte, einen echten Freund zu haben.
***
Die Besprechung im Präsidium stand ganz unter dem Zeichen des
misslungenen Zugriffs mit der Flucht des Verdächtigen und Trobischs Verletzung.
Die Fahndung war zwar sofort auf Hochtouren gelaufen. Doch viele fürchteten,
dass es Rogalla dennoch möglich gewesen sein könnte, sich über die Landesgrenze
hinaus in Sicherheit zu bringen. Obwohl er natürlich auch in den Nachbarländern
zur Fahndung ausgeschrieben war und dort ebenfalls festgenommen werden konnte.
Ein solcher Erfolg war im Ausland jedoch viel weniger zu erwarten als auf
deutschem Boden. Eine Chance wie die gestern würden sie wohl kein weiteres Mal
erhalten.
An Trobischs Stelle trat vorübergehend Kriminalhauptkommissar
Bernardi, mit dem Wärmland gestern telefoniert hatte. Sie kannten sich kaum,
aber Wärmland wusste, dass Bernardi im Kollegenkreis der Ruf eines eher
arroganten und karrieresüchtigen Beamten anhaftete. Dafür wurde seine fachliche
Kompetenz als sehr hoch eingeschätzt, was ihm nun auch Trobischs Vertretung
eingebracht hatte. Wärmland hoffte nur, dass sich dieser ungewohnte Zustand in
zeitlich überschaubaren Grenzen hielt. Er fand solche Kollegen mitunter
ungeeignet für eine Verständigung auf menschlicher Ebene, die frei sein sollte
von Vorteilsdenken, Karrierestreben und Missgunst. Das schlimmste Übel war für
Wärmland allerdings die Arroganz. Die machte ihn aggressiv. Obwohl er selbst
gelegentlich Tendenzen zum Zynismus aufwies, was von manchen Menschen ebenfalls
als eine Art Arroganz aufgefasst werden konnte.
Was die Ermittlungen betraf, gab es nur zwei nennenswerte
Neuigkeiten: Nachdem Regine Nau den Leiter der Pfadfindergruppe aus
Ludwigshafen ausfindig gemacht hatte, war eine Kollegin vom Ludwigshafener
Präsidium zum Vereinsheim gefahren und hatte mit dem betreffenden Jungen
gesprochen, der am Ostufer das Wildschwein gesehen haben wollte. Der hatte ihr
schließlich anvertraut, eigentlich kein schwarzes Wildschwein, sondern einen
schwarzen Mann gesehen zu haben. Zwar nur für einen kurzen Augenblick, aber
dennoch deutlich genug, um zu wissen, dass es sich bei dem Wesen vor ihm nicht
um ein Wildschwein handelte. Das hatte er nur behauptet, um von den anderen in
der Gruppe nicht ausgelacht zu werden. Diese Ermittlung warf noch einmal Licht
auf die Frage, woher der Taucher gekommen sein mochte, verbunden mit der
Annahme, dass er irgendwo am See ein Fahrzeug abgestellt haben musste, dessen
Spuren man noch nicht gefunden hatte.
Das zweite Ergebnis betraf die ehemalige Partnerin eines der
durchweg geschiedenen oder getrennt lebenden Opfer. Sie hatte ausgesagt, dass
die Angler den Tipp mit der Eifel und der Mosel von einem Angler aus
Westdeutschland erhalten hätten, der nicht weit vom Rhein lebte. Einen Namen
hatte sie aber nicht erfahren, und sie konnte auch keinerlei weitere Angaben
über diesen Mann machen. Somit blieb die Ermittlungslage weiter dürftig.
Angesichts des flüchtigen Rogalla konzentrierten sich Aufmerksamkeit und
Hoffnungen aber ohnehin ganz auf seine Ergreifung. Kaum jemand im Präsidium
hatte Zweifel an der Täterschaft des ehemaligen Feuerwehrmannes. Seine
aggressive und mit Gewalt durchgesetzte Flucht wurde als konsequente
Fortführung der an den Opfern gezeigten Gewaltbereitschaft gewertet. Daher
hielt sich die Enttäuschung über die erfolglose Ermittlungstätigkeit in den
anderen Bereichen in Grenzen. Man war schon ganz dicht dran gewesen am
»schwarzen Taucher«, so die einhellige Meinung.
Es blieb jedoch ein fader Beigeschmack. Denn wie gewalttätig Rogalla
auch gewesen war und sein mochte: Die Frage nach einem Motiv blieb völlig
unbeantwortet. Sowohl Wärmland als auch einige andere erfahrene Kollegen hatten
ihre Zweifel bezüglich einer Verbindung der Opfer zur Rauschgiftszene. Keiner
der Getöteten hatte eine Vorgeschichte oder war in irgendeiner Weise auffällig
geworden, geschweige denn mit dem Gesetz in Konflikt geraten,
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