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Tod am Zollhaus

Tod am Zollhaus

Titel: Tod am Zollhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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Mittag ein wenig Sonne, und die Suppen, die Jakobsens Schwester kochte, waren frisch, fett und gut gewürzt. Die Gäste – Titus stützte traurig seinen Kopf in beide Hände.
    Sie passte einfach nicht hierher. Diese Schenke gehörte zu seiner Welt, wie die Plätze, die Bretterbühne und die Wagen. Auch sein Vater war Hanswurst gewesen. Titus hatte seine Kunst von ihm gelernt und der wiederum von seinem Vater, einem venezianischen Arlecchino, der vor vielen Jahren über die Alpen nach Norden gewandert war. Titus wusste es nicht, aber er war sicher, dass auch sein italienischer Großvater bei seinem Vater in die Lehre gegangen war.
    Nun war Titus über die Vierzig, und er hatte keinen Sohn, der seine Tradition weiterführte. Er hatte nie dran gedacht, sesshaft zu werden. Aber dazu war es noch nicht zu spät. Ein gutes Gasthaus, in dem vornehme Gäste verkehrten. Mit Elsbeths delikater Küche.
    Er schalt sich einen Träumer und alten Gecken und leerte entschlossen seinen Becher.
    Als er ihr gestern Morgen bei seinem zweiten Besuch gesagt hatte, wer er war, hatte sie ihn nur lange prüfend angesehen. Sprecht weiter, sagte sie schließlich und hörte still zu, anstatt ihn sofort hinauszuwerfen. Sie gab ihm eine Schüssel Milchklöße mit Zimt und Honig und erschien ihm wie ein Engel. Aber ob ein Engel mit einem Spaßmacher leben konnte?
    Langsam füllte sich die Schenke. Auch wenn niemand wagte, Jakobsens alten Freund Titus verächtlich zu behandeln, blieben die Komödianten an ihrem Tisch doch allein.
    Bis Vandenfelde kam. An jedem Samstagabend spülte sich der Metzger auf seinem Heimweg vom Schlachthaus an der Heiliggeistbrücke zu seinem Bett in einer Hinterhofbude in der Knochenhauertwiete den Blutgeschmack aus dem Hals.
    «Bind deine grässliche Schürze ab, Vandenfelde», schimpfte Jakobsens Schwester, die gerade aus der Küche kam, um einen Krug Bier für die Abendsuppe zu holen.
    Der Metzger setzte sich zu Titus und Sebastian und löste grinsend das Band seiner blutigen Schürze. Das blau-weiß gestreifte Hemd, das er darunter trug, sah allerdings nicht besser aus.
    «Na?», polterte er, «haben sie den Galgen für euren Prinzipal schon aufgeputzt?»
    Titus zog Sebastian, der zornig aufsprang, zurück auf seinen Stuhl. «Ruhig, Junge. Der Metzger macht immer solche schlechten Scherze. Er sollte als Hanswurst zu den Komödianten gehen.»
    «Schlechte Scherze? Egal, wer’s getan hat, wenn ’n Komödiant neben einem gefunden wird, der ’n Messer zwischen den Rippen hat, dann ist er fällig. Lineken, bring mir Branntwein.»
    Er nahm einen großen Schluck, als wäre reines Wasser in dem Becher, wischte sich mit dem Handrücken über die Lippen und rülpste erleichtert. Vandenfelde mochte seine Arbeit im Schlachthaus. Ein Tier schnell und sauber zu töten war für ihn eine Kunst. Er beherrschte sie perfekt, und das machte ihn zufrieden. Aber die stickige Luft, der Gestank von Blut und Kot, das Angstgebrüll der Tiere ließen seinen Magen an jedem Tag zu einem harten Klumpen schrumpfen.
    «Nichts für ungut, Junge.» Er sah Sebastian mit zusammengekniffenen Augen an. «Ich glaub auch nicht, dass dein Prinzipal den Schreiber totgemacht hat. Der kann ja nicht mal ’n Lamm abstechen. Letztes Frühjahr hab ich ihm eins gegeben, für ’n paar Verse für meine Mechthild, schöne Verse und ’n schönes Lamm, alles hatte seine Ordnung. Aber wenn eure alte Lies nicht wär, würd das Vieh immer noch leben. Trink», sagte er und schob seinen Becher über den Tisch. «Noch zu grün für Schnaps? Dann trink ich selber.»
    Er leerte den Becher, knallte ihn auf den Tisch und beugte sich zu Titus. «Da gibt’s andere, denen der Behrmann im Weg war, das sag ich dir. Ganz andere. Aber das sind solche, die nie an den Galgen kommen. Ich weiß, was ich weiß, aber wer ruhig leben will, hält sein Maul.»
    Es kostete Titus noch drei Becher von Jakobsens bestem Branntwein, bis Vandenfelde endlich begann, seine Geschichte zu erzählen. Es war keine besonders spannende Geschichte. Und eine ganz alltägliche.
    Behrmanns Mutter, so hatte Vandenfelde gehört, war als junges Ding Küchenmädchen in einem reichen Hamburger Haus. Nicht mal besonders hübsch, aber doch mit schönen Grübchen und mit Augen, die viel wollten.
    Dann kam, was oft kommt und keiner wissen will: Das Mädchen wurde blass und dick. Eines Tages war es verschwunden und keiner wusste, wohin. Nur die Köchin. Die hat gesagt, der Herr hätte das Mädchen wieder zu seiner

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