Tod an der Förde
haben wir keine Erkenntnisse aus dem Notebook gewinnen können.«
Dann berichtete
Lüder vom Gespräch mit dem chilenischen Journalisten.
»Glauben Sie, dass
Douglas Taylor etwas mit unserem Fall zu tun haben könnte?«, fragte der
Staatsanwalt.
»Hmh«, antwortete
Lüder. »Ich stelle grundsätzlich nie Vermutungen an. Derzeit fehlt es uns an
allen Ecken an Beweisen. Es ist denkbar, dass Taylor die Werft besucht.
Schließlich ist das sein Metier. Aber dass der Mord an einem eher harmlosen
Commodore zu seinem Geschäft gehört, ist vielleicht sehr weit hergeholt.«
»Was wollen Sie
jetzt unternehmen?«
»Ich denke, wir
werden noch einmal mit dem Verantwortlichen auf der Werft sprechen, diesem Dr.
Vollquardsen. Haben Sie schon in die Zeitungen gesehen?«
»Ja. Grauenvoll, was
manche Blätter zusammenschmieren.«
»Werfen Sie mal
einen Blick in die ›Kieler Nachrichten‹. Sie finden im Lokalteil ein Bild zu
einem Artikel über eine Demo von Kriegsgegnern in der Holstenstraße. Dort ist
es gestern zu einem kleinen unbedeutenden Zwischenfall gekommen.«
»Moment«, unterbrach
Kremer, schlug die Zeitung auf und überflog den kurzen Abschnitt. »Dem Bericht
ist nichts Außergewöhnliches zu entnehmen.«
»Sehen Sie sich das
dazugehörige Bild an.«
Einen kurzen Moment
herrschte Schweigen in der Leitung.
»Meinen Sie das, auf
dem ein junger Mann mit einem Kind auf dem Arm den anderen mit den langen
zotteligen Haaren am Kragen packt?«
»Das meine ich. Der
jüngere ist ein Werftarbeiter. Der ältere ist David Potthoff-Melching.« Lüder
klärte den Staatsanwalt kurz über den Friedensaktivisten auf. »Viel spannender
ist aber der Mann im Hintergrund.«
Kremer besah sich
das Pressefoto erneut. Völlig unbeteiligt sah dort ein dunkelhaariger Mann dem
Geschehen zu.
»Wer ist das?«,
wollte der Staatsanwalt von Lüder wissen.
»Keine Ahnung. Aber
der Mann sieht wie ein Südländer aus. Ist es nicht merkwürdig, dass wir seit
kurzem immer wieder auf Südamerikaner stoßen? Und das in unserer überschaubaren
Stadt.«
Kremer lachte kurz
auf. »Glauben Sie nicht, dass Sie übertreiben? Könnte es nicht ein völlig Unbeteiligter
sein, den das Gerangel auf der Straße angezogen hat?«
»Mag sein. Aber ich
fühle mich immer besser, wenn ich die Zahl der Zufälle reduzieren kann.«
Sie verabredeten
sich noch zu einem Treffen zur Abstimmung der bisherigen Ergebnisse. Kremer
wollte um die Mittagszeit in die Bezirkskriminalinspektion kommen.
Natürlich war jeder
Mordfall eine Herausforderung für Polizei und Staatsanwaltschaft. Aber diesem
Fall haftete etwas Besonderes an. Das lag zum einen an der Art der
Tatausführung, zum anderen war es auch in der besonderen Person des Opfers
begründet. Die Ermittlungen lagen bei Hauptkommissar Vollmers und seinem Team
in bewährten Händen. Und auch Kriminalrat Lüders hatte bisher gezeigt, dass er
sein Handwerk verstand. Trotzdem verspürte Kremer Unbehagen. Er hatte das
unbestimmte Gefühl, dass sie noch lange nicht den Zugang zur Lösung des Falles
gefunden hatten. Zu allem Überfluss rief dann auch noch die argentinische
Botschaft aus Berlin an.
»Wir sind an Sie
verwiesen worden. Wir möchten den Leichnam unseres Bürgers Hernandez umgehend
in die Heimat überführen«, forderte eine Männerstimme aus dem Telefonhörer.
»Das können Sie
machen, wenn die sterblichen Überreste freigegeben sind«, erwiderte der
Staatsanwalt.
»Und wer gibt sie
frei?«
»Ich.«
»Gut. Dann werden
wir den Commodore in den nächsten zwei Stunden abholen lassen.«
»Sie haben mich
falsch verstanden. Ich werde die Leiche freigeben, wenn die Untersuchungen der
Rechtsmedizin abgeschlossen sind. Vorher nicht.«
»Der Mord ist doch
offensichtlich«, kam es hartnäckig über die Leitung. »Und die Rechtsmedizin
haben wir in Argentinien.«
»Nein, so läuft das
nicht. Wir bemühen uns, die Würde des Toten zu achten und unsere Arbeit so
schnell wie möglich zu erledigen. Aber den Zeitpunkt, wann es so weit ist, bestimme
ausschließlich ich.«
»Wenn Sie sich da
nicht irren. Aber wir werden sehen«, trotzte der Anrufer und legte ohne ein
weiteres Wort auf.
Merkwürdig, dachte
Kremer. Warum hatten es die Argentinier so übermäßig eilig, den Toten in ihre
Hände zu bekommen und außer Landes zu schaffen?
Unschlüssig nahm er
die Visitenkarte zur Hand, die ihm Lüder am Vortag überreicht hatte. Er wählte
die Handynummer.
»Das trifft sich
gut. Ich wollte Sie auch noch einmal anrufen«,
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