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Tod an der Förde

Tod an der Förde

Titel: Tod an der Förde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Nygaard
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die Rache eines Einzelnen an einem
argentinischen Offizier gehen würde.«
    »Oder doch«, überlegte Lüder, »weil es nicht in die
politische Landschaft passen würde, wenn auf deutschem Boden die Folgen der
Militärdiktatur aufgearbeitet werden.«
    Da Silva reichte Lüder die Hand.
    »Ich beneide Sie nicht«, sagte er zum Abschied.
    Den Rest des Sonntags verbrachte Lüder im Krankenhaus.
Margit war so weit genesen, dass sie mit Erlaubnis der Ärzte ein paar Schritte
durch das Freigelände laufen konnten. Sie hatten auch vergeblich versucht, die
Großeltern und die Kinder in Kellinghusen zu erreichen. Dort meldete sich
niemand. Wahrscheinlich machten die alten Lüders mit dem Nachwuchs einen
Ausflug. Vater Lüders hatte sich bis heute standhaft geweigert, »so’n
neumodisch’n Krams« wie ein Handy zu akzeptieren. Und auf dem Mobiltelefon der
Kinder meldete sich nur eine synthetische Stimme, die verkündete, dass der
Teilnehmer momentan nicht erreichbar sei.
    Auf dem Heimweg fiel Lüder ein, dass er den
Kühlschrank immer noch nicht aufgefüllt hatte. Ihm war nicht nach einem
Restaurantbesuch zumute. Sicher hätten sich noch Vorräte an Konserven oder in
der Tiefkühltruhe gefunden. Er wollte sich aus einem Imbiss ein halbes Hähnchen
oder ein Schaschlik und ein paar Pommes mitnehmen. Ihm fiel aber nicht ein, wo
man diese typisch deutschen Fast-Food-Gerichte bekommen würde. Als er
schließlich vor seinem Haus hielt, hatte er eine Tüte mit Döner, Krautsalat und
Pommes auf dem Beifahrersitz liegen.
    Missmutig zwängte er das mittlerweile nur noch
lauwarme Essen hinein, während er am kleinen Essplatz in der Küche saß und
Cooky beobachtete. Der Wellensittich hockte auf seiner Stange und bearbeitete
lustlos den Spiegel. Ob der Vogel registriert, was mit seinem Kumpan Pucky
geschehen ist?, überlegte Lüder.
    Nach der kargen Mahlzeit setzte er sich vor den
Fernsehapparat und zappte sich durch verschiedene Programme. Er verweilte
längere Zeit bei Sabine Christiansen. In der Sendung diskutierten eine Reihe
durch die Medien bekannter Politiker über die Bedeutung der inneren Sicherheit
der Bundesrepublik. Der bayerische Innenminister verkündete dem Zuschauer
gerade, dass Terroristen und Extremisten in Deutschland chancenlos wären. Die
Sicherheitsbehörden hätten dank der vorsorgetreffenden weitsichtigen Politik
der Regierung alle potenziellen Gefahrenherde fest im Griff.
    Wie gut, dass Kremers Frau diesen Beitrag nicht sieht,
dachte Lüder bitter und ließ sich anschließend weiter berieseln, ohne wirklich
mitzubekommen, was ihm aus dem Apparat entgegendröhnte. Gegen Mitternacht
beschloss er, ins Bett zu gehen. Er hatte über zwei Stunden versucht,
einzuschlafen, dann aber wieder das Licht eingeschaltet, um ein paar Zeilen zu
lesen. Die Buchstaben rauschten an seinen Augen vorbei, ohne sein Gehirn zu
erreichen.
    Irgendwann musste er doch eingeschlafen sein. Der Fall
verfolgte ihn bis in den Traum hinein. Von den diffus auftauchenden, diese
ganze Geschichte kreuzenden Protagonisten war es nur ein kleiner Schritt zu
verschwommenen anderen Gestalten, die er nicht mehr zuordnen konnte. Die
unwirklichen Wesen bewegten sich an unbekannten Orten. Auch der Handlungsablauf
war unstrukturiert. Wie durch dichten Nebel spulte ein wirres Drama ab,
untermalt von Geräuschen, die so unharmonisch waren wie das Konzert eines
modernen Komponisten auf unkonventionellen Instrumenten.
    Lüder verfolgte das traumhafte Durcheinander wie ein
mitten im Geschehen stehender Zuschauer. Er wollte in der Unruhe des Traums die
Augen schließen und sich die Ohren zuhalten, bis er von einem vertrauten
Geräusch erlöst wurde. Inmitten der unwirklichen Kakophonie mischte sich das
bekannte Knarren von bewegendem Holz ein.
    Lüder fuhr im Bett hoch. Das Knarren des Holzes hatte
Margit und ihm oft ein Schmunzeln entlockt. Sie hörten diesen Ton, wenn die
Kinder an freien Tagen die Treppe ins Erdgeschoß hinabschlichen und den beiden
Erwachsenen noch ein paar Minuten Zweisamkeit zugestanden.
    In einem älteren Haus gab es immer wiederkehrende
Geräusche durch arbeitendes Holz, die anspringende Heizung oder das Aggregat
des Kühlschranks. Doch das Knarren der Treppe gehörte nicht dazu.
    Jemand bewegte sich vorsichtig im Haus.
    Lüder griff zur SIG Sauer, seiner Dienstwaffe, die er seit der Ermordung Kremers und den Drohungen
gegen ihn und seine Familie auf dem Nachttisch liegen hatte.
    Während er sich aufrichtete, nahm er die Waffe

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