Tod an der Förde
freien und auf mitwirkende
Eigenverantwortung beruhenden Gesellschaft schimpfen und das Gestrige hochleben
lassen.
Hier, in der Abgeschiedenheit der Mecklenburgischen
Schweiz, schien der Tag ruhiger und bedächtiger zu verlaufen. Lüder fiel die
Stille auf, als er aus dem Auto stieg. Sogar die wenigen Menschen, die
unterwegs waren, zeigten keine Eile bei ihrem gemächlichen Gang durch die
gemütliche Altstadt, deren Grenzen durch zwei Tore markiert wurden.
Der Spaziergang durch das Zentrum, der ihn an einen
kleinen See führte, tat ihm gut. Er spürte noch immer die Folgen der
vergangenen Nacht. Dann setzte er sich wieder ins Auto und fuhr die wenigen
Kilometer bis zum Ortsteil Teschow. Schon von der kurvenreichen Landstraße, die
an eine Achterbahn erinnerte, sah er das liebevoll renovierte Schloss, das zu
einem Hotel ausgebaut war und in dem McBain als Golflehrer arbeitete.
Früher mochten einfache Siedlungshäuser den Ortsteil
Teschow geprägt haben. Heute stand hier dicht an dicht jede Menge schmucker
Neubauten. Baugebiete dieser Art fanden sich im Westen der Republik in diesen
Tagen nur noch selten.
Eine breite, repräsentative Auffahrt führte zum Portal
des Schlosses. Lüder fuhr auf den rechts gelegenen großen Parkplatz, der etwa
zur Hälfte belegt war, stellte seinen BMW ab und kehrte zu Fuß zum Hoteleingang zurück.
An der Rezeption begrüßte ihn eine adrett gekleidete
junge Frau.
»Ich hätte gern Herrn McBain gesprochen«, bat Lüder.
»Oder Frau Sabine Vanderborg«, schob er, einer Eingebung folgend, nach.
»Vanderborg?«, fragte die Empfangsdame. »Soll die bei
uns Gast sein?«
Sie stellte sich an ihren Computer, dessen Bildschirm
Lüder nicht einsehen konnte. Dann schüttelte sie ihren mit einem Pagenschnitt
verzierten Kopf.
»Das tut mir leid. Eine Frau Vanderborg wohnt nicht
bei uns.«
Gern hätte Lüder gewusst, ob die südafrikanische
Journalistin früher einmal Gast auf Schloss Teschow gewesen war. Er verkniff
sich diese Frage aber.
Die junge Frau wandte sich nach hinten und fragte in
einen Raum, der als Backfront-Office diente, ob jemand wisse, wo Tim sei. Kurz
darauf erschien der Kopf einer zweiten Frau, die Lüder mit einem Kopfnicken
begrüßte und ihrer Kollegin erklärte: »Tim ist auf der Driving-Range.«
Die Empfangsdame wies Lüder den Weg dorthin. Er
verließ das Gebäude, wandte sich nach rechts und sah von der erhöhten Position
der Auffahrt das Golf-Übungsgelände, auf dem er mehrere Personen ausmachte, die
Abschläge übten.
Als er näher kam, sah er eine wohlbeleibte Frau in zu
engen Hosen, die sich mit einem Mützenschirm vor der tiefstehenden Sonne
schützte. Sie lauschte andächtig den Erklärungen eines großen, schlanken
Mannes, der ihr mit einem Schläger in der Hand die Geheimnisse des Golfschwungs
zu vermitteln suchte.
Der Golfpro trug eine helle Hose und ein weißes
Poloshirt, auf dem das Logo eines Edelschneiders prangte. Die behaarten
muskulösen Arme waren ebenso gebräunt wie das kantig geschnittene Gesicht.
Es war ein Mann, der zweifellos Eindruck beim
weiblichen Geschlecht schinden konnte. Als Lüder sich näherte, blickten die
zwei auf. Der Golflehrer sah Lüder fragend an.
»Herr McBain?«
»Ja. Was kann ich für Sie tun?«
»Könnte ich Sie in einer privaten Angelegenheit
sprechen?«
McBain sah auf seine Uhr. »Ist es in Ordnung, Trudie,
wenn wir fünf Minuten früher Schluss machen?«
Nachdem die Frau genickt hatte, gab ihr McBain noch
ein paar Ratschläge und erklärte ihr, welche Übungen sie bis zur nächsten
Trainerstunde absolvieren sollte.
Dann wandte er sich an Lüder.
»Um was geht’s?«, fragte er. Er sprach fehlerfrei
Deutsch, konnte aber seinen englischen Akzent nicht verbergen.
»Sie kennen Sabine Vanderborg?«
Timothy McBain sah Lüder reglos an, ohne zu antworten.
»Ich weiß, dass Sie miteinander bekannt sind. Sie
fährt mit Ihrem Audi. Und da Sie das Fahrzeug nicht als gestohlen gemeldet
haben, kann dies nur mit Ihrem Einverständnis erfolgen.«
»Woher wissen Sie das? Sind Sie von der Polizei?«
Lüder nickte und machte zwei Ausfallschritte zur
Seite, weil er sonst gegen die Sonne hätte blinzeln müssen.
»Was ist mit dem Wagen?«, fragte McBain. »Ist etwas
geschehen? Ein Unfall?«
Lüder fiel auf, dass die erste Sorge des Mannes dem
Auto galt. Er hatte nicht nach Sabine Vanderborg gefragt.
»Dem Audi ist nichts geschehen. Mich interessiert Ihre
Verbindung zu Frau Vanderborg.«
»Was sollte daran interessant
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