Tod an der Förde
auf
mich.«
Lüder musterte sie einen Moment, bevor er ihren Gruß
erwiderte.
»Guten Morgen.«
Sie blieb vor ihm stehen und sah zu ihm herauf. Bei
seinen fast Ein-Meter-Neunzig war sie gut zwanzig Zentimeter kleiner.
»Eine Dame ist enttäuscht, wenn sie nicht hören tut,
dass ein Mann sie wartet«, gab sie in ihrem leicht fehlerhaften Deutsch von
sich.
Lüder beschloss, mit offenen Karten zu spielen. »Sie
kennen meinen Beruf. Der hat mich veranlasst, auf Sie zu warten.«
»Oh! Das ist ein schlechter Beruf. Warum Sie sind
nicht gekommen ins Hotel? Zusammen wir hätten können frühstücken. Das wäre
amüsant gewesen.«
»Ich bin nicht zum Vergnügen hier.«
»Nein? Schade. Warum police muss immer sein so
streng? Kann doch auch Spaß haben bei Beruf. Was kann ich tun für Sie?«
Lüder konnte der Frau schwerlich erklären, dass er
eigentlich vorhatte, sie zu beschatten. Deshalb schlug er einen anderen Weg
ein.
»Ich würde mich gern noch einmal mit Ihnen
unterhalten.«
Sie ließ wieder ihr spöttisches Lächeln sehen und
zeigte dabei zwei Reihen makelloser Zähne.
»In Ihre o ffice ?«
»Nicht unbedingt. Wir können das auch an einem anderen
Ort machen.«
»Gut! Ich habe eine Faible für deutsche Gemütlichkeit.
Lassen Sie uns gehen in eine – wie sagt man auf Deutsch? – Konditeria?«
Jetzt musste auch Lüder lächeln.
»Konditorei meinen Sie. Schön. In der Innenstadt gibt
es ein plüschiges urdeutsches Café.«
Er umrundete seinen BMW und hielt die Beifahrertür auf.
»Charmant«, flötete sie, während sie sich ins Auto
zwängte. »Bei uns gibt ein Sprichwort: Wenn ein Mann die Frau die Autotür
aufhält, ist entweder das Auto oder die Frau neu.«
Lüder verließ den Parkplatz des Hotels und fuhr langsam die ruhige Wohnstraße bis zur Reventlouallee entlang. Dort bog er links
ab, und sie kamen an Hinterbichlers Bordell vorbei. Verstohlen warf Lüder einen
Blick auf seine Beifahrerin. Die sah interessiert durch die Scheibe geradeaus
auf die sich leicht kräuselnden Wellen des Ostseearms. Am unteren Ende der
Straße zeigte die Ampel Rot, und Lüder sah auf den dunklen Backsteinbau des
Finanzministeriums. Dann bog er in den Düsternbrooker Weg ein und folgte der
Straße Richtung Zentrum. Sie passierten die von außen trist wirkende Kunsthalle
und das Kieler Schloss, das von Besuchern nie als solches identifiziert wird
und nichts weiter als ein profan wirkender Neuzeitbau ist. Die alte Fischhalle,
die kurz darauf auf der linken Seite folgte, diente heute als
Schifffahrtsmuseum. Davon zeugten auch die historischen Fördeschiffe des
Museums, die sanft im Wasser dümpelten. Der Rotlichtbezirk mit der schreienden
Reklame, der wegen seiner leicht schmuddeligen Aufmachung für Hinterbichler keine
Konkurrenz bedeutete, lag ebenfalls an der Hauptstraße, die zwischen Neuem
Rathaus und Schwedenkai hindurchführte.
Auf der Fahrt wechselte er mit Sabine Vanderborg ein
paar belanglose Worte über das norddeutsche Wetter, die Förde und die typischen
Eigenschaften einheimischer Verkehrsteilnehmer.
Lüder musterte seine Beifahrerin aus den Augenwinkeln.
Sie tat, als würde sie es nicht bemerken, am Aufflackern ihrer Lider erkannte
er jedoch, dass sie seine Seitenblicke mit einem Hauch Amüsement zur Kenntnis
nahm. Ihm fiel auf, dass von ihr kein noch so zarter Duft ausging. Es
überraschte ihn ein wenig, dass sie ohne jedes Parfüm auskam, da sie sonst
durchaus ihre weiblichen Reize zu betonen wusste.
Lüder steuerte das ZOB -Parkhaus
an, in dessen Erdgeschoss der Kieler Omnibusbahnhof untergebracht war. Von dort
waren es nur wenige Schritte bis zum alteingesessenen Café Fiedler in der
Holstenstraße, das nur einen Steinwurf von dem Ort entfernt war, an dem Dennis
Altrogge mit den Kriegswaffengegnern zusammengestoßen war.
Sie fanden ein ruhiges Plätzchen in der Ecke im
Obergeschoss. Zu dieser Stunde war das Café nur mäßig besucht, sodass sie
ungestört miteinander plaudern konnten.
Sabine Vanderborg bestellte Tee, Lüder Kaffee.
Sie kramte in ihrer Handtasche, zog eine Packung
Zigaretten und ein goldenes Feuerzeug hervor und zündete sich selbst eine an,
nachdem Lüder die angebotene Zigarette zurückgewiesen hatte.
»Nichtraucher?«, fragte sie.
Er nickte.
»Und sonst Sie haben keine Laster?« Dabei warf sie ihm
aus ihren großen dunkelbraunen Augen einen langen Blick zu.
»Doch, aber die diskutiere ich nicht mit Fremden«, gab
er eine Spur zu schroff zurück. Sein Tonfall ließ sie
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