Tod auf der Donau
mir am Schluss gar nichts bezahlen. Du hast ja keine Ahnung, was es heißt, am Ende zu sein. Du tust so, als würdest du so schuften, als würdest du über den Dingen stehen, doch versuch einmal einen Tag lang unten in der Wäscherei auszuhalten, nicht hier oben, mit den Amis, sondern unten mit den Bauern – du wirst schon sehen. Ich habe viele Dinge falsch gemacht, doch in diese Geschichte kannst du mich nicht hineinziehen.«
»Du hast keine Ahnung, wovon du sprichst. Du bist seit drei Tagen hier. Versuch mal drei Jahre auf dem Schiff zu bleiben …«
»Ich werde keine Ruhe geben, solange du mich beschuldigst. Gehen wir lieber zu Clark.«
Sie riefen Atanasiu und Tamás zum Tatort und weckten Emil und Sorin auf. Martin versuchte, sich auf jedes Detail zu konzentrieren, doch es gelang ihm nicht. Sicher hatte er wichtige Spuren übersehen. Konnte ein Dieb etwas so Grausames anrichten? Was gab es in einer Kajüte schon zu stehlen? Die meisten Amerikaner trugen keine großen Summen bei sich, nur Kleingeld für die Trinkgelder, und auch sonst zahlten sie alles mit Kreditkarten. Doch auf der Donau wurdeseit jeher gestohlen. Auch die Kreuzritter im Mittelalter plünderten und brandschatzten auf ihrem Weg zum Heiligen Grab in Jerusalem. Ansonsten hätten sie nicht freiwillig zweitausend Meilen auf sich genommen.
»Was hältst du davon?«, fragte ihn der Kapitän.
»Ich weiß nicht mehr als du. Es sind zwei Morde passiert. Soweit ich sagen kann, ist nichts verschwunden. Ich gehe davon aus, dass es ein Psychopath war. Meiner Meinung nach jemand von der Besatzung, keiner der Passagiere. Die Schnitte sehen ident aus.«
»Kannst du versuchen, mehr herauszufinden?«
»Ich habe jede Menge andere Arbeit. Das kann ich nicht machen.«
Atanasiu blickte Mona an. Martin schüttelte den Kopf.
»Wir zwei reden nicht mehr miteinander.«
»Aber klar doch, er übertreibt mal wieder etwas …«, sagte Mona. »Ich helfe Martin gerne.«
»Atanasiu, ich möchte eine Aufstellung aller Bordbestellungen. Wer hat was zum Waschen aufgegeben, an der Bar bestellt, im Bordshop eingekauft, alle Papiere, die ich von der Rezeption bekommen kann.«
»Nimm Mona mit.«
»Dir ist es wohl egal. Oder du willst Gras darüber wachsen lassen. Du willst es so aussehen lassen, als könnte ich wirklich etwas herausfinden, doch eigentlich weißt du ganz genau, dass es ohne Fingerabdrücke und Laborbefunde nicht gehen wird. Aber die Polizei willst du ja nicht rufen. Nein, du willst nichts herausfinden, du willst bloß ankommen und dein Geld kassieren. Ruf ruhig in Chicago an. Du kannst mich genau so zitieren.«
Über Atanasius Stirn legten sich Zornesfalten, Wut flammte in seinen Augen auf.
»Ich bin es nicht gewohnt, von Tourmanagern beleidigt zu werden«, zischte er.
»Man lernt nie aus.«
Martin durchsuchte Collis’ Taschen – alles leer. Der Tote besaßinsgesamt vier Paar Schuhe, Maßanfertigung und nahezu neu. In der Schublade lagen Hemden, Handtücher und Socken säuberlich gestapelt, alles in Größe XXL. Es blieben nur noch zwei luxuriöse Koffer übrig, die neben dem Schrank standen.
Martin ging davon aus, dass die Taten minutiös geplant worden sein mussten, der Täter kannte gewiss den Programmablauf. Doch selbst ein Wahnsinniger muss irgendein Motiv haben.
Als Martin mit seiner Untersuchung zu Ende war, entbrannte unter den Männern ein Streit. Atanasiu hatte vorgeschlagen, Clarks Sachen an die Besatzung zu verteilen, doch Tamás und Martin waren strikt dagegen. Dann gerieten sie auch noch aneinander, weil nicht klar war, was mit der Leiche geschehen sollte. Zu dritt überstimmten sie Martin, sie drohten ihm sogar mit einer Kündigung wegen Alkoholmissbrauchs – sie hatten natürlich recht, er hatte ja wieder einmal gegen die Nullpromillegrenze verstoßen. Was für eine Farce. Doch noch nie im Leben bereute er es so sehr, etwas getrunken zu haben.
»Wir fahren ja nicht. Wir sind in einer Stadt. In Budapest! Seid ihr wahnsinnig geworden? Ihr wollt ihn hier in den Fluss werfen? Hier?«, fragte Martin.
»Dieser Mann kommt nicht mehr hoch«, erklärte Atanasiu.
Tamás, Sorin, Emil und Martin zogen den Körper eine halbe Stunde lang denselben Weg entlang, den sie schon mit Venera absolviert hatten, und hofften inständig, dabei niemanden zu wecken. Vor den Fenstern leuchtete das Panorama von Budapest. Martin hielt die Luft an, er achtete angestrengt auf das winzigste Geräusch. Martin und Tamás holten das Rettungsboot und ließen sich
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