Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Tod auf der Donau

Titel: Tod auf der Donau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michal Hvorecky
Vom Netzwerk:
Historienfilms. Martin war davon fasziniert, dass schon im Hochmittelalter in diesem Städtchen eine Universität gegründet worden war, wo Mönche auch literarische Übersetzungen aus dem Griechischen in die neue slawische Sprache und Schrift anfertigten.
    Von hier oben hatte man eine schöne Aussicht auf das bergige Umland. Die Ottomanen unterhielten ganze Jahrhunderte lang große Kasernen, die an diesem Ort nur schwer zugänglich waren. Das größte Hotel trug den Namen der Stadt und bewirtete in seiner Vergangenheit verwöhnte sozialistische Machthaber; das Gebäude wirkte wie ein auf den Balkan übertragener Bauhaus-Stil, den man mit sowjetischem Prunk zu vermischen wusste. Am Felsvorsprung in der Flussbiegung ragte ein Heldendenkmal in die Höhe, als Andenken an längst vergangene Siege.
    Neben all den Ladas parkten auch Jeeps auf den Gehsteigen, sodass die Fußgänger immer wieder auf die Straße ausweichen mussten.Die Amerikaner zeigten sich überrascht, diese Autos entsprachen so gar nicht ihren Vorstellungen von der Armseligkeit dieser Region.
    Das örtliche Sushilokal konnte getrost mit den japanischen Restaurants in Manhattan Schritt halten, und der Eigentümer war dort auch vertreten. Die noble Cocktailbar erinnerte an das Filmfestival von Cannes. Aus dem Solarium schwebte ein Model herab, die Frau gebärdete sich wie auf einem Laufsteg in Mailand, bis sie mit einer Oma und ihrem Wagen voller Kartoffeln zusammenstieß.
    Nach einer einstündigen Stadtbesichtigung nahm sich der mafiöse Bürgermeister Krasimir Bogdanov der Amerikaner an, ein ehemaliger Taxifahrer und Geldschmuggler, der demnächst wohl auch EU-Ab geordneter werden würde. Er war der neue Typ osteuropäischer Mutanten, die etwas lächerlich wirkten, gleichzeitig aber auch Angst einflößten. Seine politischen Ansichten waren gewiss auch zweitrangig – wichtig war es zu wissen, dass er den mächtigsten Clan anführte.
    Jeweils zehnköpfige Touristengruppen gingen in zwölf bulgarische Haushalte zum Mittagessen. Martin musste allen weiß machen, diese Speisen hätten einfache Mütter nach alten Familienrezepten gekocht. In Wahrheit wurden sie in der örtlichen Großküche aus Halbfertigprodukten zusammengepanscht und vom Handlanger des Bosses mit einem nagelneuen Mercedes-Lieferwagen verteilt.
    Martin begleitete eine der Gruppen zum Essen. Die ausgesuchten Häuser sahen bei Gott nicht wie bescheidene Bauernhäuser aus der Provinz aus; es waren echte Neureichenvillen mit drei Garagen, Plasmafernsehern über ganze Wände und Küchenzeilen, die in ihren Ausmaßen eher an Squashplätze erinnerten. Martin hatte mit dem Chef zumindest die Vereinbarung getroffen, dass die Eigentümer ihre drei Autos drinnen parkten.
    Eine wichtige Rolle wurde dem Gespräch mit echten Bulgaren beigemessen. In den Büros von Chicago hatte man die Vorstellung, es würde bei Tisch angeregte Gespräche über Kinder, Geschichte, Heimat und Naturschönheiten geben. Im Katalog stand, die Balkanbewohner interessierten sich ausgesprochen für den Lebensstil derUSA, da sie sich so etwas kaum vorstellen könnten – oder bestenfalls schemenhaft, dank der alten Fernsehserien. Die Ansässigen kannten die USA allerdings oft viel besser als die Amerikaner, weil sie dort zweimal jährlich luxuriöse Urlaube verbrachten. Die neuesten amerikanischen Sitcoms verfolgten sie mit Hilfe ihrer fünf HBO-Kanäle, die sie mit Decodern sogar in der bulgarischen Provinz empfangen konnten, in Spitzenqualität und illegal natürlich.
    Die Hausherren ließen sich bei den verwirrten und durchaus eingeschüchterten Amis gar nicht blicken, sie schickten ihnen ihr rumänisches Dienstmädchen, das sich zwar abmühte, doch keine Fremdsprache sprach und mit vorgestreckter Hand, flehenden Augen und eindeutigen Gesten um Dollar bettelte. Das Essen war unter aller Sau. Blasses Hühnerfleisch mit Kartoffeln wurde in einer Mikrowelle aufgewärmt, schon eine Minute später war es wieder kalt. Der Salat bestand aus einem trockenen Krautblatt und einer müden Tomatenspalte.
    Die Firma forderte, dass das Mittagessen mindestens fünfundvierzig Minuten dauerte. Zugleich kontrollierte ein Handlanger der Mafia, dass es keine Sekunde mehr wurde. Die Amis wurden danach regelrecht aus den Häusern geschmissen und hatten nicht einmal die Zeit, nach der Adresse zu fragen, um den Gastgebern eine Postkarte schicken zu können.
    Die Rechnung für die Mittagessen überreichte am Ende des Ausfluges der Bürgermeister

Weitere Kostenlose Bücher