Tod auf der Themse
die Kirchentür hatte sich geöffnet.
Marston kam herein und blieb stehen; mit verschränkten Armen starrte
er nach vorn in den Chor. Athelstan achtete nicht auf ihn, sondern schaute
Aveline an.
»Mylady«, sagte
er leise, »Ihr seid hier im Haus Gottes, Ihr dürft nicht lügen.«
Ashby verschluckte sich an
einem Stück Brot. Athelstan klopfte ihm kräftig auf den Rücken.
»Der Tag hat kaum
begonnen, Mylady«, fuhr Athelstan trocken fort, »und schon
bringt Ihr, die Tochter des Mannes, den Ashby angeblich ermordet hat, ihm
allerlei Vorräte und was er sonst noch zu seinem Wohlbehagen braucht.
Und jetzt sitzt Ihr neben ihm auf den Altarstufen und teilt das Essen mit
ihm.«
Lady Aveline errötete
und schlug die Augen nieder.
»Liebt Ihr ihn?«
fragte Athelstan.
»Ja«, flüsterte
sie.
»Und Ihr sie auch,
Ashby?«
Der junge Mann nickte und
wischte sich die Augen, die ihm nach dem Hustenanfall immer noch tränten.
»So, so, so«,
sagte Athelstan. »Und ich nehme an, Ihr wollt heiraten?«
»Ja«, flüsterten
die beiden einstimmig.
»Gut.« Athelstan
rieb sich die Hände. »Aber die Heilige Mutter Kirche verlangt,
daß man beichtet und die Absolution empfängt, bevor man das
Sakrament der Ehe erhalten kann. Wollt Ihr nun einzeln beichten…oder
vielleicht zusammen?«
Die beiden Liebenden starrten
einander an.
Athelstan hatte große Mühe,
seine Heiterkeit zu verbergen. »Gut«,
sagte er, »Ihr habt keine Einwände; ich fahre also fort.
Nicholas, man beschuldigt Euch der Sünde des Mordes: Ihr hättet
Sir Henry Ospring getötet.« Er sprach so leise, daß seine
Worte nicht bis zu Marston drangen, der hinten in der Kirche stand.
»Ihr habt es aber nicht getan, oder?«
»Ich bin unschuldig«,
flüsterte der junge Mann.
»Das allerdings«,
sagte Athelstan und wandte sich an Aveline, »kann man von Euch nicht
sagen.«
Sie hob den Kopf, und ihre
Augen rundeten sich erschrocken und überrascht.
»Gott verzeih mir«,
sagte Athelstan, »aber, Lady Aveline, ich beschuldige Euch des
Mordes an Eurem Vater.«
Die junge Frau wurde kalkweiß.
Sie stand auf und preßte erregt die Finger zusammen.
»Das stimmt nicht!«
zischte Ashby, aber Athelstan drückte dem jungen Mann einen Finger an
die Lippen. »Lügt nicht in der Beichte«, sagte er.
»Lady Aveline, setzt Euch bitte.«
Die junge Frau gehorchte, und
Athelstan nahm ihre eiskalten Hände.
»Ihr habt Euren Vater
ermordet, nicht wahr?«
»Gott verzeih mir,
Pater. Ja, ich habe es getan. Woher wißt Ihr das?«
Athelstan schaute durch die
Kirche. Marston hatte offenbar gesehen, wie erregt Lady Aveline war, und
kam jetzt langsam heran. Athelstan erhob sich und ging ihm entgegen.
»Kann ich Euch helfen?«
»Ich bin hier, um Lady
Aveline vor diesem Mörder zu beschützen.«
»Lady Aveline ist bei
mir in sicheren Händen«, antwortete Athelstan.
»Ich bin außerdem
hier, um dafür zu sorgen, daß dieser Dreckskerl nicht entkommt.«
»Redet nicht so«,
mahnte Athelstan. »Nicht im Hause des Herrn.«
Der Mann wich verdattert zurück.
»Bitte wartet draußen«,
sagte Athelstan. »Ihr dürft auf der Treppe warten. Da könnt
Ihr sicher sein, daß niemand die Kirche verläßt, ohne daß
Ihr es wißt.«
Marston wollte Einwände
erheben.
»Es wäre auch Sir
John Cranstons Wunsch«, fügte Athelstan honigsüß
hinzu.
Marston zuckte die Achseln,
ging hinaus und machte die Tür hinter sich zu.
Athelstan kehrte in den
Altarraum zurück, wo Ashby und Aveline die Köpfe
zusammensteckten und verschwörerisch miteinander tuschelten.
Athelstan setzte sich ohne weitere Umstände zwischen sie.
»Wie und wann habt Ihr
es erfahren?« fragte Ashby.
»Oh, es ist mir heute
morgen während der Messe klargeworden«, sagte Athelstan.
»Es ist eine Sache der Logik. Erstens: Man hat Euch mit der Hand am
Dolch angetroffen. Warum? Weil Ihr dabei wart, ihn herauszuziehen. Aber
warum solltet Ihr das tun? Es war nicht Euer Dolch, er gehörte, wie
Ihr ja sagtet, Sir Henry. Eurer steckt noch in der Scheide an Eurem Gürtel.
Das habe ich schon gestern morgen gesehen. Zweitens: Wenn Ihr Sir Henry
nicht umgebracht habt, wer hat es dann getan? Wer hatte das Recht, sich
einem so mächtigen Lord zu nähern, wenn er noch im Nachthemd
war? Bestimmt nicht Marston. Das hat er uns sehr deutlich klargemacht.
Wenn Ihr und Marston es also nicht waren, wer
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