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Tod auf der Themse

Tod auf der Themse

Titel: Tod auf der Themse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Harding
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gesprungen sein«, erwog Lady Aveline. »Und dann
     ist er zum Kai geschwommen.«
    »Nein, das ist unmöglich«,
     widersprach Ashby.
    Athelstan sah ihn an. »Warum?«
    »Pater, könnt Ihr
     schwimmen?«
    Athelstan erinnerte sich an
     die goldenen Kindertage, als er und sein Bruder Francis, nackt, wie sie
     auf die Welt gekommen waren, im Fluß geschwommen waren.
    »Nun, Pater?«
    »Ja«, sagte
     Athelstan, ein bißchen verlegen. »Wie ein Fisch. Meine Eltern
     hatten einen Bauernhof, und ein Fluß zog sich dort durch das
     Weideland. Warum?«
    »Seht Ihr, Pater, ein
     Mann wie Bracklebury ist wahrscheinlich in den Armenvierteln von London
     oder Bristol aufgewachsen. Viele Leute glauben, jeder Seemann könne
     schwimmen, aber dem ist nicht so. Sie kommen als Knaben aufs Schiff. Wenn
     sie das Mannesalter erreichen, fürchten sie die See, Pater -sehr viel
     mehr als wir. Sie haben ihre Macht gesehen.« Ashby zuckte die
     Achseln. »Kurz gesagt, Bracklebury konnte wie so viele
     seinesgleichen nicht schwimmen.«
    »Woher wißt Ihr
     das?« fragte Athelstan. »Ist es eine Vermutung oder eine
     Tatsache?«
    »Oh, eine Tatsache,
     Pater. Bracklebury hat es mir selbst gesagt. Ich vermute, das gleiche gilt
     für Cabe, für Coffrey und sogar für den armen alten Roffel
     selbst. Ihr könnt fast alle Seeleute fragen: Wenn sie von Bord
     springen müssen, nehmen sie immer etwas mit, woran sie sich
     festhalten können.«
    Athelstan spähte in die
     Kirche hinunter, wo seine Pfarrkinder bienenfleißig um die behelfsmäßige
     Bühne herumwimmelten.
    »Gott helfe uns«,
     flüsterte er. »Wie hat dann der verfluchte Bracklebury, um den
     berühmten Cranston zu zitieren, das verfluchte Schiff verlassen?«
    »Angenommen, er hatte
     einen Komplizen«, meinte Ashby. »Jemanden, der mit einem
     kleinen Boot längsseits kam?«
    »Ohne daß es
     jemand gesehen hat?« fragte Athelstan.
    »Und wenn es von
     Southwark herüberkam?«
    Athelstan nickte und stand
     auf. »Aye, und wenn Schweine fliegen könnten? Würdet Ihr
     Cabe vertrauen?«
    »Ungefähr so weit,
     wie ich spucken kann. Vom gleichen Holz wie Bracklebury. Die beiden
     hielten zusammen wie Pech und Schwefel, und das galt für alle
     Offiziere. Das sind harte Männer, Pater. Sie haben alle eine dunkle
     Vergangenheit, die sie lieber verborgen halten.«
    Athelstan dankte ihm, schärfte
     beiden ein, vorsichtig zu sein, und ging hinaus ins Kirchenschiff. Eine
     Zeitlang stand er da und schaute bewundernd zu, wie der Karren in eine Bühne
     verwandelt wurde. Ringsum waren Pfosten aufgestellt worden, an denen die
     große Leinwand festgebunden war, die als Hintergrund und
     Seitenkulisse dienen würde. Sie hing jämmerlich herunter. Huddle
     legte letzte Hand an sein Gemälde vom klaffenden Höllenschlund
     und ignorierte selig die Bemerkungen und Ratschläge der anderen. Lächelnd
     schlich Athelstan vorbei. Er war auf halbem Wege zu Philomels Stall, als
     ihm schuldbewußt einfiel, daß er das alte Schlachtroß im
     »Heiligen Lamm Gottes« vergessen hatte. 
    »Oh, es wird ihm schon
     gutgehen«, tröstete er sich. Er kannte den Wirt als
     warmherzigen Mann, und solange Philomel es warm und trocken hatte und
     genug Futter in Reichweite seines grauen Mauls fand, war es ihm gleichgültig,
     wo er stand.
    Athelstan ging zum Haus zurück;
     Benedicta und die Kurtisane Cecily hatten es ausgekehrt und aufgeräumt.
     Er holte Brot und Käse aus der Speisekammer und setzte sich an den
     Tisch; düster dachte er an die Schlacht der vergangenen Nacht.
    »Was«, fragte er
     das Feuer im Herd, »was hat Crawley gemeint, als er sagte, alles war
     so ordentlich?«
    Er schüttelte den Kopf
     und steckte sich ein Stück Käse in den Mund. Was hatte
     Bracklebury mit den beiden Matrosen gemacht? Wie war er vom Schiff
     gekommen? Und wenn er das Silber schon hatte, warum hatte er dann Bernieia ermordet?
     Ein Klopfen an der Tür riß ihn aus seinen Gedanken. Der
     Bezirksbüttel Bladdersniff kam großspurig herein; sein
     fleischiges Gesicht bebte vor Wichtigtuerei.
    »Pater, ich bringe Euch
     eine Nachricht von Sir John Cranston. Ein Rathausdiener hat sie mir
     gebracht.« Der Büttel schürzte affektiert die Lippen.
     »Sir John Cranston, Coroner der Stadt London, wünscht Euch im
     ›Heiligen Lamm Gottes‹ zu sehen.« Bladdersniff hüstelte.
     »Er hat auch etwas vom Haus eines Arztes erwähnt.«
    Athelstan stöhnte.
     Bladdersniff sah ihn argwöhnisch an.
    »Was hat das zu
     bedeuten,

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