Tod auf der Themse
hat die Stadt abgelenkt. Wie
geht es Crawley?«
»Er ist in St.
Bartholomew und säuft sich um den Verstand.«
»Und Lady Maude und die
beiden Kerlchen?«
»Stolz wie die Pfauen!
Stolz wie die Pfauen!« Cranston senkte die Nase in den
Rotweinbecher. »Seltsam«, knurrte er dann und schmatzte.
»Was denn, Sir John?«
»Unser Untersheriff
meldet, wie erwartet, daß niemand ein Boot zur God’s Bright
Light gemietet hat. Aber der Menschenfischer, dieser wahnsinnige Halunke,
schickt mir da eine Nachricht…«
»Was will er?«
»Er will mich sehen.
Doch da wird er warten müssen.«
Athelstan dankte dem
Schankwirt, der ihm einen Krug Ale vorsetzte.
»Sir John, seid Ihr
sicher, daß sich in der Nacht, als Bracklebury verschwand, kein
anderes Boot der God’s Bright Light genähert hat?«
Cranston nickte. Ȇbrigens,
bevor du fragst, Bruder: Ich habe dafür gesorgt, daß Moleskin
von der Stadt eine Belohnung erhält. Aber um deine Frage zu
beantworten: Es fuhr kein Boot zum Schiff.«
»Wie ist Bracklebury
dann heruntergekommen?« fragte Athelstan. »Vergeßt
nicht, er war schwer mit Silber beladen.«
»Wahrscheinlich ist er
geschwommen.«
»Er konnte nicht
schwimmen. Das hat Ashby mir erzählt.«
Cranston machte ein ernstes
Gesicht. »Feentitten!« knurrte er. »Daran hatte ich
nicht gedacht. Aber ich habe eine Proklamation herausgegeben und in der
ganzen Stadt verbreiten lassen: Bracklebury soll dingfest gemacht werden,
und zwar nach Möglichkeit lebend.«
So saßen sie eine Weile
da und erörterten die Möglichkeiten und Pläne, während
der Tag langsam zu Ende ging. Cranston bestellte eine Schüssel Gemüse
und teilte sie mit Athelstan.
Dann verließen sie die
Schenke. Sie überquerten die dunkle, kalte, menschenleere Cheapside
und wanderten durch ein Labyrinth von Straßen zum Hause Theobald de
Troyes’. Der Verwalter öffnete ihnen mit überraschter
Miene die Tür.
»Sir John, Master
Theobald ist verreist.«
»Das weiß ich«,
sagte Cranston. »Und wenn die Katze aus dem Haus ist, tanzen die Mäuse,
was?«
Der Verwalter sah ihn
verwirrt an.
»Wo sind denn alle?«
fragte Cranston.
Der Verwalter deutete durch
den Korridor zur Küche. »Wir essen gerade zu Abend.«
Cranston hob die Stumpfnase
und schnupperte die würzigen Düfte.
»Was ist das, Mann?«
»Kapaun, Sir John, in
Weißwein und Kräutern eingelegt.«
»Davon will ich zwei
Teller«, verlangte Cranston sofort. »Und zwei Brote außerdem.
Bringt alles auf den Dachboden. Und jetzt verläßt niemand mehr
das Haus, dich eingeschlossen! Und niemand kommt herauf, bis ich es sage.
Sei brav, verpiß dich und tu, was ich dir gesagt habe.«
Der Verwalter eilte davon.
Athelstan und Cranston begaben sich durch das verschwenderisch
eingerichtetete Haus auf den tristen Dachboden hinauf. Der Verwalter
brachte das Essen, erfüllt von Ehrfurcht vor Sir John. Cranston
befahl ihm, noch Kerzen zu bringen, und außerdem die dicksten
Wolldecken, die er finden konnte. Der Verwalter gehorchte. Cranston und
Athelstan machten es sich bequem.
Anfangs ließ der
Coroner sich nicht davon abbringen, noch einmal eine Schilderung der
Schlacht auf dem Fluß und jedes einzelnen Hiebes abzugeben, gewürzt
mit anekdotischen Verweisen auf die glorreichen Tage, da er unter Prinz
Edward gegen Philip von Frankreich zu Felde gezogen war. Als er sich
schließlich den Bauch mit Kapaun vollgeschlagen und sich großzügig
aus seinem Weinschlauch bedient hatte, döste er ein. Eine Zeitlang saß
Athelstan im Dunkeln und dachte an die Zeit, die er selbst in Frankreich
verbracht hatte, und an seinen Bruder Francis, der dort gefallen war. Dann
schüttelte er den Kopf, um die immer noch schmerzhaften Erinnerungen
zu vertreiben, und dachte statt dessen an seine Pfarrgemeinde. Er betete,
daß Basil, der Schmied, und Watkin, der Mistsammler, keine Prügelei
vom Zaun brechen würden. Die Augen wurden ihm schwer, und auch er
schlief ein Weilchen. Jäh fühlte er sich von Cranston heftig
geschüttelt; dicht vor sich sah er das fette Gesicht des Coroners,
der einen Finger an den Mund hielt. Athelstan war durchfroren und
verkrampft, und der Arm tat ihm ein bißchen weh. Er spitzte die
Ohren, hörte vereinzelte Geräusche aus dem Haus unter ihnen, und
dann ertönte der Ruf des Nachtwächters.
»Zwölf Uhr und
Mitternacht! Kalt und rauh, doch alles
Weitere Kostenlose Bücher