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Tod auf der Themse

Tod auf der Themse

Titel: Tod auf der Themse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Harding
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der Küche
     eingesperrt. Sie werden nicht herauskommen, um dich zu fressen.«
    Athelstan seufzte
     erleichtert. Cranstons Neuerwerb, die beiden großen Irischen
     Wolfshunde, waren durchaus harmlos, aber so überschwenglich in ihrer
     Begrüßung, daß es dem unvorbereiteten Besucher leicht den
     Atem verschlagen konnte.
    Sir John und seine Frau
     verschwanden. Athelstan löschte die Kerzen und kniete vor seinem
     Bett, um sein Nachtgebet zu sprechen. Aber seine Gedanken kehrten immer
     wieder zu Crawley zurück, der verwundet auf dem Deck lag, und zu den
     Worten, die er gesprochen hatte, bevor er ohnmächtig geworden war.
    Hinter ihm ging die Tür
     auf.
    »Bruder?«
    »Ja, Sir John?«
     antwortete Athelstan, ohne sich umzudrehen.
    »Du weißt, daß
     ich ein schlimmer Geschichtenerzähler bin?«
    Athelstan lächelte.
     »Ihr seid ein großer Mann, Sir John.«
    »Nein, Bruder, du bist
     es, der den Ruhm verdient. Im Namen des ermordeten Mädchens danke ich
     dir. Du hast gesehen, daß der alte John Gerechtigkeit walten läßt.«
    Die Tür schloß
     sich wieder. Athelstan beendete sein Gebet, bekreuzigte sich und legte
     sich ins Bett. Er hatte noch nachdenken wollen, aber sein Kopf hatte kaum
     das Kissen berührt, als er auch schon fest schlief.
    Das Aufwachen am nächsten
     Morgen ging weniger friedlich vonstatten. Als er die Augen aufschlug, lag
     einer der beiden großen Wolfshunde quer über ihm. Die Kerlchen,
     die Athelstan als ihren Lieblingsonkel betrachteten, stolperten mit
     honigbeschmierten Brotbrocken um ihn herum und versuchten quiekend vor
     Lachen, ihm das Brot zwischen die Lippen zu schieben. In diesem Gewirr von
     zappelnden Ärmchen, zarten kleinen Körpern und klebrigem
     Honigbrot stand Athelstan schlaftrunken auf. Der andere Wolfshund, Magog,
     tauchte jetzt ebenfalls auf und leistete seinen Beitrag zum wachsenden Getöse.
     Wenn Athelstan das Honigbrot nicht wollte, die Hunde wollten es sehr wohl.
     Sie fingen an, die beiden kleinen Jungen mit der Nase in die dicken Bäuche
     zu stupsen. 
    Lady Maude erschien, und ein
     paar ruhige Worte von ihr hatten die gewünschte Wirkung. Die
     Wolfshunde verschwanden unter dem Tisch. Die Kerlchen wären ihnen
     nachgekrabbelt, aber die Mutter packte sie beide und schleifte sie zur
     morgendlichen Wäsche. Boscombe, Cranstons kleiner, dicker Verwalter,
     ein Vorbild an höfischer Artigkeit, erschien mit Seife, Handtuch und
     Rasiermesser.
    Athelstan wusch und rasierte
     sich vor dem Feuer und setzte sich dann zu Sir John, der heute nüchterner
     gekleidet war, zum frühstücken in die Küche. Leif, der Bettler, tauchte ebenfalls auf.
     Athelstan war immer wieder verblüfft über den Heißhunger
     des klapperdürren Bettlers - er sah aus, als stehe er ständig am
     Rande des Hungertodes. Leif hatte einen Kumpan mitgebracht; er hieß
     Picknose - der »Nasenbohrer« -, ein Name, den ihm eine eklige
     Angewohnheit eingetragen hatte. Die beiden hörten in hingerissener
     Bewunderung zu, als Sir John mit Hilfe von Messern und Brotstücken
     eine weitere Schilderung des französischen Überfalls auf der
     Themse lieferte. Athelstan kümmerte sich nicht darum; er frühstückte
     hastig und verabschiedete sich dann. Der Morgenhimmel war klar, und es war
     bitterkalt. Athelstan ging zur Kirche von St. Mary Le Bow, wo der
     freundliche Pfarrer ihm erlaubte, in der Seitenkapelle seine Messe zu
     lesen.   
    Cranston wartetet schon, als
     Athelstan aus der Kirche kam. Er reichte dem Ordensbruder Mantel und
     Stock.
    »Ich habe gerade deinen
     alten Zossen besucht«, sagte er.
    »Philomel ist kein
     alter Zosse, Sir John. Er ist ein bißchen wie Ihr: ein stämmiges
     Schlachtroß, das vielleicht einmal bessere Zeiten gesehen hat.«
    Cranston brüllte vor
     Lachen, als sie die Bread Street hinuntergingen; sie überquerten die
     Fish Street und die Vintry und wanderten zum Kai. Die Stadt erwachte allmählich
     zum Leben. Fuhrwerke rumpelten vorüber, gezogen von mächtigen
     Karrenpferden mit kurz gestutzten Mähnen; ihre schweißnassen
     Flanken dampften in der kalten Morgenluft. Händler schoben ihre
     Karren vor sich her. Schlaftrunkene Lehrjungen, die noch nicht wach genug
     waren, um Dummheiten zu machen, bauten Verkaufsstände auf und löschten
     die Lampen an den Häusern ihrer Herren. Aus den oberen Fenstern wurden Nachttöpf'e
     entleert, und ein vierschrötiger Straßenhändler, der mit nächtlicher
     Jauche überschüttet worden war, tobte vor Wut. Die

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