Tod auf der Themse
Mistkarrren
waren unterwegs; sie schabten den Kot aus den Kloaken und sammelten den
Abfall des vergangenen Tages ein: Tote Katzen waren dabei, und ein Hund,
dem ein Wagenrad das Rückgrat gebrochen hatte. Ein paar Benediktinermönche
geleiteten einen Sarg zu einer Kirche. Ein Barde unterhielt die Frühaufsteher
mit einer Geschichte von der Entrückung in eine sagenhafte Feenstadt
unter einem Berg bei Dublin. Betrunkene, die ihre Strumpfbänder um
den Hals trugen und denen die Hosen um die Knöchel schlotterten,
wurden zum Wasserspeicher hinaufgeführt, wo sie den Vormittag
schmachvoll in dem großen Käfig, der dort stand, verbringen
sollten. Am Eingang zur Vintry steckten zwei Stangen im Boden; die Köpfe
zweier hingerichteter französischen Piraten saßen darauf,
unkenntlich unter all dem Dreck und Unrat, mit denen man sie beworfen
hatte.
Cranston und Athelstan
erreichten die Docks. Hier drängten sich die Kauffahrerschiffe; der
Himmel war schwarz von einem Wald aus Masten, Spieren und Kränen. Sie
sahen die Aleppo, die George, die Christopher und die Black Cock die Laderäume
waren offen und nahmen bündelweise englische Wolle, Eisen, Salz,
Fleisch und Tuche aus den Städten der Midlands auf. Athelstan spähte
zwischen den Schiffen hindurch und sah die Kriegskoggen, die draußen
vor Anker lagen. Cranston führte ihn zu der Schenke hinunter, wo sie
den Menschenfischer beim letzten Mal getroffen hatten. Mit leiser Stimme
trug er dem Schankwirt auf, den Mann zu holen; dann bestellte er zwei
Humpen Ale, und sie setzten sich wieder in dieselbe Ecke und warteten. Der Menschenfiseher
erschien bald. Sein schmaler Totenschädel glühte vor
Befriedigung über den Gewinn, den es ihm gebracht hatte, die Leichen
aus dem Fluß zu ziehen und auszuplündern. Seine Phantome drängten
sich in der Tür und warteten. Der Menschenfischer lehnte den Trank
ab, den Cranston ihm anbot; er klatschte in die Hände und verneigte
sich spöttisch vor den beiden.
»Mylord, Eure
Heiligkeit - endlich beehrt Ihr uns mit Eurer Anwesenheit!«
»Quatsch!«
schnarrte Cranston. »Du verschwendest unsere Zeit.«
»Würde ich die
Zeit des mächtigen Cranston verschwenden? Nein - kommt mit mir,
Mylord Coroner. Ich zeige Euch ein großes Geheimnis.«
Cranston zuckte die Achseln.
Er und Athelstan folgten der gespenstischen Gestalt und seiner
buntgescheckten Horde hinaus und durch ein Gewirr nach Urin stinkender
Gassen, bis sie vor einem großen, schäbigen Lagerhaus
angekommen waren.
»Oh Gott!«
hauchte Cranston. »Bei den Titten einer Meerjungfrau, er will uns
seine Ware zeigen!«
Der Menschenfischer holte
einen Schlüssel hervor, schloß die Tür auf und führte
sie in den dunklen Speicher. Fischiger Brackwassergeruch, gemischt mit dem
eklig süßen Gestank der Verwesung, ließ Athelstan gleich
würgen. Die Phantome drängten sich um ihn.
»Licht!« rief der
Menschenfischer. »Es werde Licht, denn die Dunkelheit begreift das
Licht nicht!«
Athelstan streckte die Hand
aus, um sich abzustützen, und griff in etwas Kaltes, Nasses,
Schwammiges. Er schaute hin und schluckte einen Aufschrei herunter, als er
sah, was es war: das graue, aufgedunsene Gesicht einer Leiche. Er rieb
seine Hand an der Kutte und wartete, bis
Fackeln und Kerzen angezündet worden waren.
»Oh, um der Liebe des
Herrn willen!« flüsterte Cranston. »Bruder, sieh dich nur
um!«
Der Speicher war wie eine große
Scheune gebaut. In behelfsmäßigen Kisten, die der
Menschenfischer überall zusammengestohlen haben mußte, lagen
die Leichen, die er aus der Themse gefischt hatte - mindestens vierzig
oder fünfzig an der Zahl. Athelstan sah eine schmalgesichtige junge
Frau, einen Bogenschützen mit einer blutigen Wunde in der Brust, ein
altes Weib, das auf einem nassen gelben Lumpen lag, und sogar einen
kleinen Schoßhund, den jemand hatte fallenlassen.
»Hier entlang! Kommt
hier entlang!«
Der Menschenfischer führte
sie zum hinteren Ende der Scheune, wo eine Pfeilkiste aufrecht an der Wand
lehnte. Eine Männerleiche lag darin. Athelstan hatte das Gefühl,
er müsse sich übergeben, und wandte sich ab. Cranston aber nahm
den Toten sorgfältig in Augenschein. Es war ein großer, kräftiger
Mann mit schwarzem Haar; das schmale, augenlose Gesicht trug die Spuren
von Fischbissen, und das Fleisch war aufgequollen und weiß wie alte
Wolle, die
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