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Tod auf der Themse

Tod auf der Themse

Titel: Tod auf der Themse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Harding
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begann, alles aufzuschreiben, was er über die merkwürdigen
     Ereignisse an Bord der God’s Bright Light wußte. Alles
     kritzelte er nieder - jeden Gedanken, jeden Eindruck. Hin und
     wieder wurde er wegen irgendwelcher Kleinigkeiten gestört. Mugwort,
     der Glöckner, meldete, das Glockenseil sei verschlissen und müsse
     erneuert werden. Ranulf, der Rattenfänger, wollte, daß
     Athelstan eine Messe für die neugegründete Gilde der Rattenjäger
     las. Crim brauchte die Versicherung, daß er bei dem Stück
     wirklich die Trommel würde schlagen dürfen. Pemel, die Flämin,
     wollte wissen, ob es eine schwere Sünde sei, freitags Fleisch zu
     essen. 
    Athelstan ging zur Kirche hinüber,
     um sich zu vergewissern, daß bei Ashby alles in Ordnung sei, und um
     die Kirche für die Nacht zu verschließen. Dann kehrte er zu
     seiner Schreibarbeit zurück. Der Lärm aus den Gassen und Straßen
     der Umgebung erstarb allmählich, bis das lauteste Geräusch das
     Heulen der Eulen war, die jagend über das hohe Gras des Kirchhofs
     strichen. Athelstan arbeitete weiter; er schrieb und schrieb und baute
     sogar aus Holzstücken kleine Modelle der Kriegskoggen, die bei Queen’s
     Hithe vor Anker lagen. Erst als er sicher war, daß er alles
     niedergeschrieben hatte, was er wußte, versuchte er, Schlüsse
     zu ziehen. Seine Verdrossenheit nahm zu - immer wieder konstruierte er
     eine Theorie, aber immer wieder fiel sie auseinander wie ein Syllogismus,
     der einer logischen Prüfung nicht standhält. Er nahm einen neuen
     Bogen Pergament und schrieb zuoberst: »Si autem? - Was aber, wenn?«
     Er schrieb alle seine Zweifel untereinander, und als er fertig war, rieb
     er sich die Hände. Dann betrachtete er seine gespreizten Finger.
    »Du bist zu weich,
     Athelstan«, murmelte er. »Weiche Hände.«
    Er wandte sich wieder seiner
     Schreibarbeit zu. Ein Gedanke kam ihm in den Sinn.
    »Was aber, wenn es zwei
     Mörder gibt? Was, wenn es drei sind? Oder gibt es nur einen? Einen
     Tanzmeister in diesem Reigen?«
    Wieder begann er zu
     schreiben; er nahm sich einen zentralen Fakt vor, als wäre es eine göttlich
     offenbarte Wahrheit, und errichtete seine Theorie um diesen Fakt herum.
     Mitternacht war längst vorüber, als er fertig war. Er warf die
     Feder aus der Hand.
    »Was wäre, wenn?«
     murmelte er. »Was wäre, wenn? Aber wie kann ich es beweisen?«
    Er ließ den Kopf auf
     die Arme sinken, und unversehens versank er in einen seiner Alpträume.
     Ein maskierter Bootsmann ruderte ihn in einem Boot über die
     nebelverhangene Themse. Der Nebel verzog sich, und im Bug sah er eine in
     einen Kapuzenmantel gehüllte, vermummte Gestalt. Athelstan wußte,
     daß es der Mörder war. Das Boot stieß mit dumpfem Schlag
     irgendwo an. Athelstan schüttelte sich wach und sah, daß er
     seinen Becher vom Tisch gestoßen hatte. Er gähnte, streckte
     sich und stand auf. Die Manuskripte ließ er, wo sie waren; er dämmte
     das Feuer ein und stieg langsam die Treppe zu seiner Schlafkammer hinauf.
    Am nächsten Morgen
     schlief er länger, als er beabsichtigt hatte. Er wachte erst auf, als
     Crim unten an die Tür hämmerte.
    »Kommt schon, Pater!«
     schrie der Junge. »Zeit für die Messe!«
    Athelstan beschloß, auf
     der Stelle hinüberzulaufen, statt sich erst zu waschen und
     umzuziehen. So folgte er Crim aus dem Haus und durch wirbelnde
     Nebelschleier hinüber zur Kirche. Ein paar seiner Pfarrkinder
     warteten schon.
    »Ihr kommt zu spät,
     Pater!« rief Tiptoe, der Schankwirt, vorwurfsvoll.
    »Und ich kann die
     Glocke nicht läuten«, erklärte Mugwort betrübt.
    »Ich war müde«,
     antwortete Athelstan ungeduldig. »Aber jetzt kommt.«
    Er schloß die Kirchentür
     auf und ließ Ashby heraus, damit er sich erleichtern konnte. Ursula,
     die Schweinebäuerin, stand Wache, falls Marston und seine Raufbolde
     wieder auftauchten. Athelstan zog rasch seine Gewänder an und bemühte
     sich, Bonaventura zu ignorieren, der sich immer wieder an seinen Waden
     rieb.
    »Geh weg, Kater!«
     knurrte Athelstan. »Du bist ein Söldner und Verräter.«
    Die Annäherungsversuche
     des Katers wurden immer energischer, und schließlich mußte
     Crim ihn hinausbringen. Athelstan zündete die Kerzen an und las die
     Messe. Als er fertig war - nach wie vor abgelenkt von den Schlußfolgerungen,
     die er in früher Morgenstunde gezogen hatte -, gab er Crim einen
     Penny und eine Nachricht an Cranston. Dann ging er eilig wieder ins Haus,
     wusch und

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