Tod auf der Themse
begann, alles aufzuschreiben, was er über die merkwürdigen
Ereignisse an Bord der God’s Bright Light wußte. Alles
kritzelte er nieder - jeden Gedanken, jeden Eindruck. Hin und
wieder wurde er wegen irgendwelcher Kleinigkeiten gestört. Mugwort,
der Glöckner, meldete, das Glockenseil sei verschlissen und müsse
erneuert werden. Ranulf, der Rattenfänger, wollte, daß
Athelstan eine Messe für die neugegründete Gilde der Rattenjäger
las. Crim brauchte die Versicherung, daß er bei dem Stück
wirklich die Trommel würde schlagen dürfen. Pemel, die Flämin,
wollte wissen, ob es eine schwere Sünde sei, freitags Fleisch zu
essen.
Athelstan ging zur Kirche hinüber,
um sich zu vergewissern, daß bei Ashby alles in Ordnung sei, und um
die Kirche für die Nacht zu verschließen. Dann kehrte er zu
seiner Schreibarbeit zurück. Der Lärm aus den Gassen und Straßen
der Umgebung erstarb allmählich, bis das lauteste Geräusch das
Heulen der Eulen war, die jagend über das hohe Gras des Kirchhofs
strichen. Athelstan arbeitete weiter; er schrieb und schrieb und baute
sogar aus Holzstücken kleine Modelle der Kriegskoggen, die bei Queen’s
Hithe vor Anker lagen. Erst als er sicher war, daß er alles
niedergeschrieben hatte, was er wußte, versuchte er, Schlüsse
zu ziehen. Seine Verdrossenheit nahm zu - immer wieder konstruierte er
eine Theorie, aber immer wieder fiel sie auseinander wie ein Syllogismus,
der einer logischen Prüfung nicht standhält. Er nahm einen neuen
Bogen Pergament und schrieb zuoberst: »Si autem? - Was aber, wenn?«
Er schrieb alle seine Zweifel untereinander, und als er fertig war, rieb
er sich die Hände. Dann betrachtete er seine gespreizten Finger.
»Du bist zu weich,
Athelstan«, murmelte er. »Weiche Hände.«
Er wandte sich wieder seiner
Schreibarbeit zu. Ein Gedanke kam ihm in den Sinn.
»Was aber, wenn es zwei
Mörder gibt? Was, wenn es drei sind? Oder gibt es nur einen? Einen
Tanzmeister in diesem Reigen?«
Wieder begann er zu
schreiben; er nahm sich einen zentralen Fakt vor, als wäre es eine göttlich
offenbarte Wahrheit, und errichtete seine Theorie um diesen Fakt herum.
Mitternacht war längst vorüber, als er fertig war. Er warf die
Feder aus der Hand.
»Was wäre, wenn?«
murmelte er. »Was wäre, wenn? Aber wie kann ich es beweisen?«
Er ließ den Kopf auf
die Arme sinken, und unversehens versank er in einen seiner Alpträume.
Ein maskierter Bootsmann ruderte ihn in einem Boot über die
nebelverhangene Themse. Der Nebel verzog sich, und im Bug sah er eine in
einen Kapuzenmantel gehüllte, vermummte Gestalt. Athelstan wußte,
daß es der Mörder war. Das Boot stieß mit dumpfem Schlag
irgendwo an. Athelstan schüttelte sich wach und sah, daß er
seinen Becher vom Tisch gestoßen hatte. Er gähnte, streckte
sich und stand auf. Die Manuskripte ließ er, wo sie waren; er dämmte
das Feuer ein und stieg langsam die Treppe zu seiner Schlafkammer hinauf.
Am nächsten Morgen
schlief er länger, als er beabsichtigt hatte. Er wachte erst auf, als
Crim unten an die Tür hämmerte.
»Kommt schon, Pater!«
schrie der Junge. »Zeit für die Messe!«
Athelstan beschloß, auf
der Stelle hinüberzulaufen, statt sich erst zu waschen und
umzuziehen. So folgte er Crim aus dem Haus und durch wirbelnde
Nebelschleier hinüber zur Kirche. Ein paar seiner Pfarrkinder
warteten schon.
»Ihr kommt zu spät,
Pater!« rief Tiptoe, der Schankwirt, vorwurfsvoll.
»Und ich kann die
Glocke nicht läuten«, erklärte Mugwort betrübt.
»Ich war müde«,
antwortete Athelstan ungeduldig. »Aber jetzt kommt.«
Er schloß die Kirchentür
auf und ließ Ashby heraus, damit er sich erleichtern konnte. Ursula,
die Schweinebäuerin, stand Wache, falls Marston und seine Raufbolde
wieder auftauchten. Athelstan zog rasch seine Gewänder an und bemühte
sich, Bonaventura zu ignorieren, der sich immer wieder an seinen Waden
rieb.
»Geh weg, Kater!«
knurrte Athelstan. »Du bist ein Söldner und Verräter.«
Die Annäherungsversuche
des Katers wurden immer energischer, und schließlich mußte
Crim ihn hinausbringen. Athelstan zündete die Kerzen an und las die
Messe. Als er fertig war - nach wie vor abgelenkt von den Schlußfolgerungen,
die er in früher Morgenstunde gezogen hatte -, gab er Crim einen
Penny und eine Nachricht an Cranston. Dann ging er eilig wieder ins Haus,
wusch und
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