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Tod einer Queen

Tod einer Queen

Titel: Tod einer Queen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magdalen Nabb
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zweistöckigen Haus, das an die Fabrik angebaut war. Ein blutjunges Dienstmädchen öffnete die Tür, und der Mann in dem grauen Kittel entfernte sich wieder .
    »Bitte, warten Sie hier. «
    Der Wachtmeister blieb, die Mütze in der Hand, in der Diele stehen, während das Dienstmädchen links irgendwo klopfte, eintrat und die Tür angelehnt ließ .
    Er hörte, wie ihn das Mädchen mit gedämpfter Stimme meldete, aber durch den Türspalt konnte er nur das Ende eines langen Tisches erkennen, an dem das kleine Mädchen mit schwarzen Augen und langen blonden Haaren reglos und stumm vor einem leeren Teller saß. Eine Atmosphäre kühler Förmlichkeit ging von dem Zimmer aus, obwohl es bestimmt eine ganz alltägliche Mahlzeit war. Nicht der leiseste Essensduft war zu riechen. In dem Moment erschien Signora Fossi und schloß die Tür hinter ihr .
    »Ach, Sie sind’s…« Sie war überrascht, und eine Spur von Unsicherheit huschte über ihr Gesicht, aber sie hatte sich sofort wieder im Griff. Sie fragte nicht, warum er gekommen war, lieferte ihm keinerlei Anhaltspunkt, beschränkte sich darauf, abzuwarten, ihn aufmerksam zu beobachten .
    »Ich habe gerade mit Ihrer Schwiegertochter gesprochen. «
    Sie war sofort alarmiert. Er sah, wie auf ihrem Hals ein roter Fleck erschien, und sie öffnete den Mund, um etwas zu sagen, besann sich aber eines Besseren .
    »Ich habe gehört, daß Ihr Sohn wieder zurückgekehrt ist. «
    »Stimmt. Es war unnötig, Sie zu behelligen. Ich bin eben ein ängstlicher Mensch, und mein Herz ist nicht das stärkste. Mein Sohn hat die gleiche Schwäche. Als Kind hatte er Gelenkrheumatismus. «
    Ihm war klar, daß damit an sein Mitleid appelliert werden sollte. Sie hätte gern gesagt: »Gehen Sie. Bitte gehen Sie und lassen Sie uns in Ruhe.« Wieviel wußte sie? Wieviel ahnte sie nur oder befürchtete sie? Er konnte, ja wollte kein Mitleid für diese Frau empfinden, die jetzt noch unsympathischer wirkte als bei ihrer ersten Begegnung. Aber der Mann war ihr Sohn. Von diesem Gedanken konnte er sich nicht lösen. Ihr Sohn. Und da gab es auch die unglückliche junge Frau. An das schweigsame Kind hinter der verschlossenen Tür versuchte er gar nicht erst zu denken. Er hatte seine Arbeit zu tun, und die inzwischen immer größer werdenden hektischen Flecken auf Gesicht und Hals der Frau verrieten ihm, daß hier seine Arbeit lag .
    »Ich habe Ihrer Schwiegertochter gesagt, daß ich ihren Mann als Zeugen eines Verkehrsunfalls suche.« Er ließ ihr einen Moment, um das zu verdauen, bevor er hinzufügte: »In Wahrheit ist es so, daß er, wie ich glaube, Zeuge einer sehr viel schwerwiegenderen Sache ist. Ich brauche Ihnen wohl nicht zu sagen, worum es geht. «
    Er sah, wie sich eine enorme Energie entwickelte, und ihm schien, als wäre sie imstande gewesen, ihn trotz seiner Leibesfülle physisch aus dem Haus zu werfen, wenn ihr das irgendwie genützt hätte. Noch immer sagte sie kein Wort .
    »Ich muß mit ihm sprechen. In Fällen wie diesem bemühen wir uns um äußerste Diskretion. Sie haben gesagt, Sie stünden Ihrem Sohn sehr nahe, und ich vermute, daß Sie alles über sein Privatleben wissen, also auch Dinge, die seiner Frau möglicherweise nicht bekannt sind. Wenn er sich als Zeuge meldet, wird er in dieser Hinsicht geschützt, sein Name wird nicht in die Öffentlichkeit gelangen. Falls er wegläuft…« Er ließ die Drohung unvollendet stehen, beobachtete, wie die Frau reagieren würde. Es passierte nichts. Seine Drohung hatte nicht funktioniert, das war eindeutig, wenn er auch nicht sicher war, weshalb. Er würde dicker auftragen müssen, denn offenkundig wartete sie nur darauf, daß er sich verabschieden würde, damit sie etwas unternehmen konnte, und zuallererst würde sie ihren Sohn anrufen .
    »Am besten, ich bin ganz aufrichtig zu Ihnen«, log er. »Ich muß unter allen Umständen mit Ihrem Sohn sprechen. Ich habe seine Autonummer, und alle Carabinieri-Posten und Flughäfen sind alarmiert. Tun Sie nichts, wodurch sich die Lage Ihres Sohnes verschlimmern könnte. «
    Eine Schweißperle trat auf ihre graue Schläfe und rollte die gepuderte Wange hinunter. Sie sagte kein Wort. Hinter der Eßzimmertür war – leises Besteckklappern zu hören. Das einsame Kind aß .
     

9
    E r hielt an, ohne den Motor und die Scheibenwischer abzustellen, und schaltete das Funkgerät ein. »Wie sieht’s aus?« Der Regen trommelte auf das Autodach.
    »Noch nichts von ihm zu sehen.« Der Kollege des Wachtmeisters draußen

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