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Tod einer Strohpuppe: Kriminalroman

Tod einer Strohpuppe: Kriminalroman

Titel: Tod einer Strohpuppe: Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Lennon
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Sicherheitsmaßnahme überflüssig war. Er wusste jetzt genug, um Iwan im Zaum zu halten und die Lage zu
     entschärfen. Anschließend würde er sich mit Alain de Minching befassen.
    »Geben wir ihnen eins aufs Dach?«, fragte ein Constable.
    »Ihr kriegt eins aufs Dach, wenn ihr trödelt«, antwortete Sal. Die Männer wechselten genervte Blicke. Sal machte die Tür zu.
     Neben dem Transit stand der Wagen eines Hundeführers, sabbernde Lefzen und scharfe Zähne lugten hinter einem Gitter hervor.
    Inzwischen war es nach neun Uhr. Fletcher und Sal überprüften ihre Airwave-Geräte und verstauten sie in ihrer Kleidung: Fletcher
     in seinem Jackett, Sal in einer Tasche ihrer Cargo-Hose. Sie gingen nach Thinbeach hinein.
    »Weißt du, mir ist gerade erst etwas aufgefallen«, sagte Sal.
    »Was denn?«
    »Wo ist eigentlich der Mast? Hier muss doch irgendwo ein Digitalfunkmast für die Airwaves stehen. Und er müsste einem in dieser
     flachen Landschaft hier sofort ins Auge fallen.«
    »Können wir uns darüber vielleicht später Gedanken machen?«
    Sie gingen die Shamblings entlang und passierten das Schild, das auf die Partnerstadt in der Normandie hinwies. Dann kamen
     sie an der Verkehrsinsel und den allmählich zusammenströmenden Zuschauern vorbei. Im Fen Deli herrschte Hochbetrieb, und davor
     wimmelte es von Kunden, die draußen herumstanden und ihren Kaffee tranken. Am Straßenrand waren Verkehrskegel aufgestellt,
     damit dort keinersein Auto parkte, und die wenigen Seitenstraßen waren mit gelbem Band abgesperrt.
    Weder in der Menschenmenge auf den schmalen Bürgersteigen noch unter den Leuten, die aus den Fenstern auf die Straße schauten,
     war Alain de Minchings Gesicht zu entdecken. Auch von Iwan war nichts zu sehen – der Mann, der kommen würde, um die entscheidende
     Frage seines Lebens zu stellen, und eine Antwort darauf erwartete, war noch nicht aufgetaucht. Die über die Straße gespannten
     Wimpel regten sich kaum, und die frühe, klare Morgensonne wich allmählich einer unangenehmen Schwüle, in der die Luft einen
     graublauen Ton annahm.
    Fletcher blickte sich um. Einige Zuschauer wirkten wie Besucher aus Cambridge   – Folklore-Fans und ein paar neugierige Studenten   –, aber die meisten waren Einheimische aus Thinbeach: gestandene Leute mit verschwitzten Gesichtern, deren erwartungsvolle
     Blicke zeigten, dass dies ihr ganz besonderer Festtag war. Diese unschuldigen Menschen waren Iwans finsteren Plänen hilflos
     ausgeliefert – und doch musste Fletcher immer wieder an die verzweifelte Wanderung des russischen Ingenieurs denken, der sich
     in jener eiskalten Nacht damals von Haus zu Haus geschleppt hatte. Wie viele der Leute, die jetzt hier feierten, hatten damals
     die Tür vor ihm verschlossen gehalten?
    Man hörte eine Geige die ersten Töne einer Melodie spielen, zu der die Leute im Takt klatschten und mit den Füßen klopften.
     Eine Frau sang die alte Ballade aus Alain de Minchings Buch:
    Sie war schön,
    Doch sie war treulos,
    Die Maid von der Isle of Eels.
    Mit jedem Dorfburschen
    Lag sie im Obstgarten.
    Sie warteten und sahen zu, wie die Menschenmenge größer wurde. Während die Zeit verstrich, überzog der Himmel sich von Westen
     her mit einem harten Glanz. Fletchers Hemd klebte ihm am Rücken.
    Um zwanzig nach zehn beschlossen sie, sich zu trennen, und Fletcher ging über die Shamblings zum Blindy House. Dort, wo die
     Fachwerkhäuser dicht aneinanderstanden und die Straße enger wurde, drängten die Leute sich unter den vorspringenden Dächern
     und spähten den vor ihnen Stehenden über die Schultern.
    Wieder ertönte das Lied und verklang dann hinter ihm:
    Aber sie wird wieder auferstehn,
    Die treulose Maid von der Isle of Eels.
    Die Maid von der Isle of Eels.
    Im Garten von The Bride standen die Leute auf Bänken, um besser sehen zu können. Debbie lehnte im Eingang, den gleichen erwartungsvollen
     Blick im Gesicht wie alle anderen. Sie erblickte Fletcher und winkte ihm zu.
    Hatte Iwan vielleicht an dieser Stelle einen Anschlag geplant? Würde er hier seine krankhaften Rachephantasien ausleben? Doch
     die Straßenränder waren ja mit Kegeln abgesperrt, weit und breit war kein Auto zu sehen und auch die schmalen Seitenstraßen
     waren leer.
    Fletcher drehte sich um und blickte über die Straße zum Blindy House. Wenn er den kosmetischen Glyzinienschleier hinter dem
     schmiedeeisernen Gartentor ansah, konnte er sich die kleine Burg, die hier vor tausend Jahren einmal gestanden

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