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Tod eines Holländers

Tod eines Holländers

Titel: Tod eines Holländers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magdalen Nabb
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hereinspaziert ! « sagte er, ohne aufzublicken.
    »Ich bin etwas in Eile « , sagte der Wachtmeister, verunsichert weniger durch diese plötzliche Be m erkung als durch die sonderbare Haltung des Mannes, der dem Sonnenlicht und den Passanten g l eichermaßen den Rücken zukehrte. »Ich wollte Sie nur fragen, ob Sie gesehen haben, wie vor kurzem eine Frau aus dem Nachbarhaus geko mm en ist ? «
    Der Mann legte seinen Blu m enstrauß in den Schoß und wand t e dem Wachtmeister wortlos die tiefen, geschlossenen Augenhöhlen zu.
    » Verzeihen Sie, ich habe nicht gewußt … «
    »In Ihrem Beruf « , lachte der Blinde, »hätten Sie s ich überlegen m üssen, warum ich nicht in m einer Tür sitze und herausschaue. Hinter Ihnen steht ein Sche m el, Herr Wachtm e ister, wenn Sie sich setzen wollen . «
    Er nahm den halbfertigen Strauß und fuhr for t , unter den Blu m en, die vor ihm a u f einem niedrigen Tisch lagen, einige auszusuchen, wobei er m i t den Fingern leicht über die Blüten strich, um sie zu erkennen.
    » Aufgefallen ist es m ir schon « , sagte der Wacht m eister zu seiner Verteidigung, » a b er ich hatte nicht die Zeit, es m ir zu erklären. Sie kennen m ic h , scheint ' s ? «
    » Sie kom m en jeden Tag auf Ihrem Rundgang hier vorbei, außer donnerstags. Sie sind schwer und gehen langsa m , sehen sich ver m utlich dabei u m , und natürlich höre ich Sie antworten, wenn die Leute Ihnen ein ›Guten Tag, Herr Wachtmeister!‹ zurufen. Was wollen Sie sonst noch wissen? Über die Frau, die Ihnen anscheinend nicht begegnen wil l ? «
    Kein Zweifel, er wollte seine Story genauso weidlich ausschlachten wie Signora Giusti die i hre, aber der Wachtmeister m ußte unbedingt weiter, so gern er dem Bli n den auch sein Vergnügen gelassen hätte.
    » Haben Sie Nachsicht m i t einem eingebildeten alten Mann, Herr Wachtmeister. Ich höre an Ihren unruhigen Füßen, daß S i e weiterwollen. Heute vor m ittag kam eine Frau h i er vorbei, die Schuhe m it hohen Absätzen trug und plötzlich stehenblieb. Dann entfernte sie sich rasch. Das war der Mo m ent, als Sie hier eintrafen und das Haus betraten. Kurz darauf kam sie wieder zurück. Etwa eine Stunde lang lief sie nervös vor m einer Tür auf und ab und ging dann, nach einigem Zögern, plötzlich ins Haus und stieg d i e Treppe hoch – da sie einen Schlüssel dabeihatte, habe ich natürlich überlegt, ob da irgend etwas nicht stim m te. S i e befanden sich im Haus, das war die Antwort, die sich aufdrängte. Ich habe auch überlegt, wer das gewesen sein m ochte, denn ein Mieter des Hauses war es nicht. Ich kenne sie nä m l ich alle. Wie auch im m e r , praktisch im selben Mo m ent kam sie wieder herausgelaufen, und Sie innerhalb einer Minute hinterher. Sie m uß also gesehen oder gehört haben, daß Sie die Treppe herunterkamen. Hat sie etwas m it Signor Tonis Tod zu tun ? «
    » Vielleic h t. Wissen Sie, in welcher Richtung sie davongelaufen is t ? «
    »Ich bin gar nicht sicher, ob sie weggelaufen ist. Ich habe s i e über die Straße gehen hören, zu den Marktständen dort drüben, und dann ist sie in der Menge verschwunden. Wenn Sie sie schnappen wollen, verstecken Sie sich am besten hier in der Nähe. Schließlich wollte sie ja in das Haus, und… En t schuldigen Sie, Herr Wachtm e ister, es ist nicht m eine A ufgabe, Ihnen vorzuschreiben, was Sie m achen soll e n . «
    Er griff nach einem Stück hellroten Kreppapier, das er mit geübten Bewegungen durch die Finger zog und am Rand zu einer Art Krause zurechtzupfte.
    » I m Gegenteil « , sagte der Wachtmei s ter, »ich kann jede Hilfe gebrauchen.«
    Sein Blick wanderte schon wieder auf die Straße. » Sagen Sie, erinnern Sie sich an eine Signora Goossens, verwi t wete Wilkins ? «
    » Natürlich. Sie pflegte auf diesem Sche m el zu sitzen und sich m i t m ir zu unterhalten, besonders in der ersten Zeit, als sie hier noch nie m a n den kannte. Ich habe ihr florentinische Sprichworte beigebracht, die sie in einem kleinen Notizheft sam m elte … «
    Er hob das blasse Gesicht und lächelte ein wenig bei der Erinnerung. » Sie m ochte Bl u m en, wissen Sie. Das hat uns verbunden. Sie wußte auch alle Na m en, und sie hat gern von ihrem englischen Garten erzählt. Das war das einzige, was ihr hier richtig fehlte. Später, nach ihrer Heirat, hatte sie mehr zu tun, kam nicht m ehr s o oft, aber ihre Blu m en h at sie immer bei mir gekauft. Sie ist nie an m einem Laden vorbeigegangen, ohne zu rufen: ›Guten Tag, Signor

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