Tod im Beginenhaus
Eingangshalle hinauf. Adelina hörte sie an eine Tür klopfen und dann nur noch leise Stimmen. Augenblicke später kam Burka die Treppe heruntergeeilt. Erst auf den letzten Stufen drosselte er sein Tempo und musterte Adelina misstrauisch.
«Adelina.» Er klang nicht sehr freundlich. «Was wollt Ihr hier?»
Nein, ganz und gar nicht freundlich. Aber … konnte es sein, dass sie eine leichte Unsicherheit herausgehörthatte? Schweigend zog sie Reeses Botschaft aus dem Ärmel. Dabei entglitt ihr das Paket mit dem Kleid und fiel zu Boden. Ohne es zu beachten, hielt sie ihm das Schreiben hin. Er nahm es und blickte verständnislos darauf.
«Was ist das?»
«Ich war bei Reese, wegen des Mutterkorns», begann sie. Sein Kopf fuhr ruckartig in die Höhe.
«Ihr wart was? Seid Ihr von allen guten Geistern verlassen? Nach alldem, was er Euch angetan hat?»
Sie verschränkte die Arme vor der Brust.
«Er hat mir gar nichts angetan. Genau wie wir … wie ich», verbesserte sie sich, «ist er auf der Suche nach dem Schuldigen. Er ist überzeugt, dass Hilger Quattermart hinter den Vergiftungen steckt, aber ohne Beweise hilft uns das wenig. Er sagte, dass er zumindest nachweisen müsse, dass die Opfer ein Gift zu sich genommen haben, damit er seine Parteifreunde und den Erzbischof überzeugen kann, weitere Nachforschungen anzustellen.»
«Und wie will er das nachweisen?», fragte Burka erstaunt. Sie verzog unbehaglich das Gesicht.
«Ich habe ihm angeboten, dass Ihr es herausfinden könnt. Er war heute beim Erzbischof.» Sie wies auf den Brief. «Friedrich hat es erlaubt.»
«Erlaubt? Der Erzbischof?» Verwirrt blickte Burka zwischen Adelina und dem Brief hin und her. Es dauerte einen Moment, bis er begriff.
«Ihr habt ihm angeboten …»
«Dass Ihr eine Sektion durchführt», vollendete Adelina den Satz. Sekundenlang starrte er sie fassungslos an, dann stieß er zischend die Luft aus.
«Wie konntet Ihr es wagen?», fuhr er sie an. «HabtIhr den Verstand verloren? Wie konntet Ihr mit ihm darüber sprechen? Wollt Ihr mich vernichten?» Er fasste sie am Arm und schüttelte sie aufgebracht. Dabei verlor sie das Gleichgewicht und schrie auf, als sie mit dem verstauchten Fuß einen Ausfallschritt machte, um nicht zu fallen.
Erschrocken ließ Burka sie los.
«Was ist mit Euch?»
«Nichts.» Verzweifelt drängte sie die Tränen zurück. Sie humpelte ein paar Schritte von ihm fort, doch er folgte ihr.
«Seid Ihr verletzt? Lasst mich sehen.» Sein Zorn schien mit einem Mal wie weggefegt. Zurück blieb nur reine Besorgnis. Er nahm wieder ihren Arm, diesmal weitaus vorsichtiger, und führte sie in einen angrenzenden Raum. Es war die Wohnstube. Trotz der Schmerzen in ihrem Knöchel sah Adelina sich bewundernd um. In der Mitte des Raumes stand ein schwerer ovaler Tisch, in dessen Beine elegantes Rankenwerk geschnitzt war. Um den Tisch herum waren sechs gepolsterte Stühle verteilt. An den Wänden standen fünf wertvoll beschlagene Truhen sowie ein bunt bemalter Schrank. Schränke waren teuer. In dem runden Deckenleuchter brannten mindestens zehn kleine Lämpchen.
Burka zog einen der Stühle heran, und sie ließ sich erleichtert niedersinken.
«Ich habe mir vorhin den Fuß verstaucht», gab sie nun endlich zu. Er ging vor ihr in die Hocke und tastete den Fuß vorsichtig ab.
«Nicht geschwollen», murmelte er. «Wie ist das passiert?»
«Ich bin ausgerutscht. Habe einen Moment nicht aufgepasst. Was tut das zur Sache?»
«Nichts.» Er erhob sich wieder. «Aber Ihr habt schon eine verletzte Hand. Und nun der Fuß. Ihr solltet vorsichtiger mit Eurer Gesundheit umgehen.»
«Damit hatte ich bisher nie Probleme», zischte sie und ärgerte sich gleichzeitig, dass er sie schon wieder zur Weißglut brachte. Sie musste sich zusammenreißen; schließlich war sie aus einem wichtigen Grund hier.
«Ich habe Euer Geheimnis nicht verraten», sagte sie. «Ich habe Reese nur angeboten, dass Ihr eine Sektion durchführen könntet. Von Eurer Vergangenheit in Italien weiß er nichts.»
Schlagartig verfinsterte sich Burkas Miene wieder.
«Er vielleicht nicht. Aber Friedrich weiß es sehr wohl. Was glaubt Ihr …»
«Aber er hat es doch erlaubt!», rief sie erregt. «Friedrich will Hilger ebenso loswerden wie der Stadtrat. Das ist eine einmalige Gelegenheit. Bisher hat Köln immer gegen den Erzbischof gearbeitet. Nun haben die Räte ihm ein Bündnis angeboten und die Möglichkeit, das gemeinsame Ziel zu erreichen.»
«Ich kann Euch nicht helfen»,
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