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Tod im Ebbelwei-Express (German Edition)

Tod im Ebbelwei-Express (German Edition)

Titel: Tod im Ebbelwei-Express (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Demant
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verhindert. Das war, was sein bisheriges Leben betraf, auch gut so, in der momentanen Lage jedoch von großem Nachteil, denn ihm würden nur wenige Sekundenbruchteile bleiben, um die Verwirrung seiner beiden Bewacher auszunutzen. Um sich auf das Unvermeidliche vorzubereiten, boxte er drei, vier Mal ohne jede Überzeugung in die Luft. Während des letzten Hiebs vernahm er Schritte. Das kam dermaßen unerwartet, daß ein aus der Toilettenschüssel herauskriechender Waschbär kaum mehr Staunen hätte verbreiten können.
    Es ist müßig, darüber nachzudenken, ob es besser oder schlechter gewesen wäre, wenn sich die Entscheidung über Herrn Schweitzers Sein oder Nichtsein noch ein wenig hinausgezögert hätte. Blitzschnell nahm er das Baumwollseil in die Hand und drückte sich an die Wand bei der Tür, hinter der er, sobald sich diese öffnete, für einen Augenblick nicht zu sehen sein würde. Und dieser kurze Moment zuzüglich der Falle, die er gebastelt hatte, sollten ausreichen, die Freiheit, die geliebte, wiederzuerlangen.
    Der Schlüssel drehte sich im Schloß. Während dieses Vorgangs glaubte er sich zu erinnern, daß er die Schritte lediglich einer Person vernommen hatte. Die Klinke bewegte sich nach unten.
    Während Herr Schweitzer versuchte, sich seinen Fortbestand zu sichern, ging es im Weinfaß ähnlich lustig zu wie in der Pathologie. Ein kosmetisches Überdecken der Tristesse fand nicht statt. Die Farbe der unmittelbaren Zukunft war Nachtschwarz. René, erprobt in tausend Schlachten mit den Hells Angels, sah aus wie bei seinem eigenen Kriegsverbrecherprozeß. Die Wirtin, mit dem Stolz der Alteingesessenen, gab sich maulfaul und suchte nach einem Ausweg aus der ausweglosen Lage. Herrn Schweitzers Freundin Maria von der Heide, die es ebenso wie Bertha und René gewohnt war, Probleme unverzüglich anzupacken und beiseite zu räumen, schwankte zwischen Niedergeschlagenheit und dem Wunsch, sich ein Maschinengewehr zu besorgen und alle Mafiosi dieser Welt mit einem Handstreich niederzumetzeln. Diese Gefühlswallungen äußerten sich in einem konvulsivischen Zusammenballen der rechten Faust, bei dem sich ihre Fingernägel schmerzhaft in die Hand bohrten. Karin sah ihre Aufgabe darin, Maria, wann immer nötig, in dieser schweren Stunde eine Stütze zu sein, dafür waren Freundinnen schließlich da.
    Apfelweinkellner Semmler, ebenso in einem psychotischen Zustand gefangen wie alle anderen, zerriß die unheimliche Stille, als er mit melodramatischem Timbre die Worte sprach: „Wer die Hoffnung verliert, ist des Todes.“
    Wie auf Verabredung streiften alle Blicke Marias Handy, das weiterhin ohne Lebenszeichen vor sich hinvegetierte, was sich aber alsbald ändern sollte. Momentan jedoch war alle Hoffnung dahin.
    Die Tür öffnete sich. Herr Schweitzer zog seinen Bauch ein als würde im Freibad eine holde Maid seinen Weg kreuzen. Das war kein leichtes Unterfangen, denn es handelte sich dabei nicht um einen gewöhnlichen Bauch gewöhnlicher Ausdehnung, sondern um eine Fettschicht enormer Dimension, derentwegen er sich bereits zwei geschlagene Stunden im Sportstudio abgemüht hatte. Die Tür berührte seine Hand, die mit aller Gewalt seinen Ranzen auf eine Linie mit seinem Brustkorb zu pressen versuchte.
    Mit der anderen Hand zog er an dem Seil, welches mittels einem aufs höchste ausgeklügelten Mechanismus die Toilettenspülung in Gang setzte, was wiederum Herrn Schweitzers Peiniger zu der Annahme verleitete, der Gefangene befände sich bei der Verrichtung eines natürlichen Geschäfts hinter dem kleinen Mauervorsprung. Der Peiniger machte einen Schritt nach vorne. Seinen vorläufig letzten. Mit dem Mute des Todgeweihten stürzte sich die Masse Schweitzer auf ihn, umklammerte dabei mit aller Kraft seinen Brustkorb und brachte ihn durch profanes Beinstellen zu Fall. Die Wasserflasche zersplitterte auf dem Boden.
    Die Fallgeschwindigkeit beträgt am Äquator 9,78 und an den Polen infolge der Erdabplattung sogar 9,83 Meter pro Sekunde, will heißen, in Frankfurt liegt sie irgendwo dazwischen. Allerdings dürfte die gefühlte Fallgeschwindigkeit des durch Umstände, die zu erörtern an dieser Stelle zu weit führen würde, kriminell gewordenen Russen um ein Vielfaches höher gelegen haben. Außerdem war noch die ungeheure Schubkraft des diätwilligen Herrn Schweitzers hinzuzuaddieren.
    Wie dem auch sei, ob subjektive oder objektive Aufprallenergie zu berechnen sich anschickte, der Russe schlug mit dem Kopf auf dem Boden

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