Tod im Netz: Kriminalroman (Oldenburg-Krimi) (German Edition)
Sie nach Lage der Dinge vernehmen müssen.« Kai ignorierte die Anweisung und setzte sich nicht hin, sondern ging auf und ab wie ein eingesperrter Tiger.
» Ach kommen Sie schon - nach Lage der Dinge . Was haben Sie denn schon in der Hand? Ein Seil, das man mir untergeschoben hat. Es gibt genügend Personen, die Gelegenheiten hatten, das zu tun. Der Aktenkoffer ist meistens nicht verriegelt, wenn er in meinem Büro steht. Sie werden keine DNA-Spuren von mir auf ihm finden. Kein Haftrichter wird danach Untersuchungshaft…« Nun stand Paul auf, Lisbeth schaute überrascht zu ihrem Chef hinüber.
» Hinsetzen! Ich leite die Vernehmung, Herr Rentz«, bellte Paul ihn lauter an, als er es beabsichtig hatte. Kai nahm daraufhin wortlos Platz.
» Woher kannten Sie Annika Eilers?«
» Das haben wir doch alles schon gestern durchgekaut. Ich habe sie einmal persönlich im ‚Club Leonardos‘ empfangen.«
» Zu welchem Zweck?«
» Sie wollte ein Auslandspraktikum absolvieren. Deswegen kam sie zu einem offiziellen Vorstellungsgespräch in unsere Räumlichkeiten.«
» Das war nur fünf Tage vor ihrem Tod, ist das richtig?«
» Ja.«
» Wie lange dauerte das Gespräch?«
» Das weiß ich gar nicht mehr genau, eine Stunde vielleicht - maximal zwei.«
» Haben Sie das Gespräch alleine geführt?«
» Ja, natürlich.«
» Gefiel Ihnen Frau Eilers?« Kai senkte das Kinn, und seine Augen schauten dabei kampfeslustig nach oben, er sah zunächst Paul und danach Lisbeth intensiv an. «Sie ist eine interessante und intelligente Bewerberin gewesen.«
» Frau Eilers war sehr hübsch und dazu noch blutjung. Gefallen Ihnen junge blonde Frauen?«, fragte Lisbeth provokativ.
» Ach hören Sie doch auf, Frau Eicken, da ein Motiv zu konstruieren, wo keines ist. Ich hätte Ihnen mehr zugetraut.«
» Ich wiederhole, beziehungsweise konkretisiere meine Frage an Sie gerne: Fanden Sie Frau Eilers sexuell attraktiv?«
» Das hat mich in dem Moment doch gar nicht interessiert. Ich bin Präsident einer gemeinnützigen Organisation, die sich für hilfsbedürftige Menschen einsetzt, unter anderem auch in Haiti.«
» Etwa auch für hilfsbedürftige Prostituierte?«
» Was soll der Vorwurf, den Sie in dieser Frage verstecken?« Lisbeth ging nicht auf die Gegenfrage ein.
» Haben Sie Frau Eilers auf Facebook ermutigt, sich bei Ihnen persönlich zu bewerben?« Paul kannte die Antwort bereits, stellte die Frage aber trotzdem.
» Ich habe ihr auf Facebook geschrieben, dass sie gerne ihre Bewerbungsunterlagen einreichen könnte, ja.«
» Haben Sie Frau Eilers nach dem Bewerbungsgespräch noch einmal gesehen?«
» Nein, verdammt.«
» Auch nicht per Skype?«
» Nein.«
» Aber Sie haben mit Frau Eilers telefoniert. Wie oft haben Sie das getan?«
» Ich glaube, zwei Mal.«
» Das zweite Gespräch fand am Tag vor ihrem Tod statt, stimmt das?«
» Ja.«
» Wie lange hat es gedauert?«
» Herrgott, ich stoppe doch nicht die Zeit, wenn ich telefoniere.«
» Um was ging es in dem Gespräch?«
» Über Einzelheiten für die geplante Auslandsverwendung: Kosten, Unterbringung, solche Sachen. Sie hatte einfach noch ein paar Fragen.«
Lisbeth schaute in ihre Unterlagen. «Das Gespräch dauerte 52 Minuten und 43 Sekunden. Ziemlich lange für ein paar Einzelheiten, finden Sie nicht?«
» Wir sind dann ins Plaudern gekommen, sie hat etwas übers Studium erzählt, ihre Ziele…«
» …und ihre Träume vielleicht? Haben Sie sie erneut in den Club eingeladen?«
» Nein.«
» Vielleicht in ein Café oder sogar zu sich nach Hause?«
» Nein, warum sollte ich das getan haben?«
» Ich werde Ihnen sagen, wie es war: Sie haben Annika Eilers auf eine ihrer geheimen Sex-Partys eingeladen. Dabei kam es auch zu Würgespielen, und einer von den feinen Herren hat halt im Eifer des Gefechts übertrieben, und Annika Eilers erstickte, ein Unfall gewissermaßen, war es so?«
Kai atmete empört aus. «Sie haben eine lebhafte Phantasie, aber anstatt sich hier haltlose Dinge zusammenzureimen, sollten Sie sich auf Beweise konzentrieren. Ach nee, ich vergaß, die haben Sie ja gar nicht, noch nicht mal Indizien.«
» Hatten Sie persönlichen oder virtuellen Kontakt zum ersten Opfer, Elena Wagner?«
» Nein, nie gesehen, nie mit ihr geschrieben. Ich kenne die Frau erst, seit sie Ihr Fall ist, den sie immer noch nicht gelöst haben.«
» Besitzen Sie einen schwarzen Seidenschal?«
» Nein, ich habe mehrerer Schals, aber keinen schwarzen Seidenschal.«
Paul
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