Tod im Sommerhaus
Ohrläppchen.
»Und es war nicht mal sicher, ob der Verlängerung der Untersuchungshaft stattgegeben worden wäre?«
»Offenbar stand es auf der Kippe. Das einzig Neue war, dass die Spurensicherung glaubte, es sei ein Teppich aus seiner Wohnung verschwunden. Wohl bei diesem unerklärlichen Einbruch.«
»Ein Teppich?«, wiederholte Nielsen.
»Ja. Die Techniker haben Fasern eines handgeknüpften Teppichs gefunden. Magnusson hoffte erst, sie Rönnåsen zuordnen zu können, was ihm nicht gelang.«
Lasse Henning verstummte.
»Wieso haben sie dich denn angerufen?«, fragte Nielsen.
»Sie wollten mir wohl einfach mitteilen, dass er wieder auf freiem Fuß ist.«
»Glauben sie, dass er versuchen wird, mit dir Kontakt aufzunehmen?«
Der andere schwieg eine Weile.
»Die Möglichkeit besteht«, meinte er dann nachdenklich.
»Schließlich scheint er ein gewisses Interesse an mir zu haben…«
»Und sie wollten dich nicht warnen?«, unterbrach ihn Nielsen.
»Vielleicht auch das«, sagte Lasse Henning. »Gefährlich ist er aber wohl kaum, jedenfalls nicht für mich …«
»Bist du dir da sicher?«, fragte Nielsen.
»Ja«, antwortete der andere knapp. »Ich kann auf mich aufpassen. Außerdem sehe ich keine Veranlassung, Angst zu haben. Du etwa?«
Nach dem Gespräch blieb Nielsen am Fenster stehen. Der Himmel war noch hell, aber die Dämmerung senkte sich langsam zwischen die Häuser.
Nein, es gab keinen Grund zur Beunruhigung. Lindberg konnte gefährlich wirken, vielleicht war er aber auch nur in die Sache reingezogen worden und hatte damit eigentlich nichts zu tun. Jedenfalls war er auf der Flucht und wurde wahrscheinlich sowieso bald wieder geschnappt. Oder er gab von selbst auf.
Er blickte in die zunehmende Dämmerung. Die Laternen, die die Fußwege zwischen den Häusern säumten, leuchteten heller.
Aufmerksam betrachtete er einen Mann, der zwischen zwei Laternen stand und zu seinem Fenster hochzustarren schien …
Nielsen schüttelte sich. Er kannte die Symptome. Er hatte Lindberg zu nah an sich rangelassen und ihm einen Platz in seinem Bewusstsein eingeräumt. Er wusste auch, dass er ihn erst loswerden konnte, wenn er ihm noch näher gekommen war und sich ein begreifliches Bild von ihm geschaffen hatte.
Nachdenklich musterte er den Mann, bis er weiterging und hinter dem nächsten Haus verschwand.
Peter Larsson rannte. Über den Centralplan, hinunter zum Fluss, durch die Seitenstraßen. Er versuchte, keine Rekorde zu brechen, sondern lief ungefähr in dem Tempo, das er Bosse Lindberg zutraute. Er kam an der Rådhusesplanaden vorbei und lief Richtung Västra Vägen zum Boulognerwald weiter. Dort blieb er stehen und stoppte die Zeit. Etwa sechs Minuten hätte Lindberg für die Strecke gebraucht, wäre dann aber richtig erschöpft gewesen. Die Streifen waren nach sechs Minuten bereits unterwegs gewesen, und die Fahndung war auf Hochtouren gelaufen. Hätte er versucht, zu Fuß zu entkommen, wäre er wahrscheinlich bald gefasst worden. Außerdem gab es nur einen Zeugen, der jemanden in diese Richtung hatte rennen sehen. Eigentlich hätte er mehreren Passanten auffallen müssen.
Nein, entschied er kopfschüttelnd, auf diese Weise war Lindberg wohl kaum geflohen. Wahrscheinlich war an der Sache mit dem Auto vor dem Hauptbahnhof mehr dran. Dafür gab es immerhin zwei Zeugen, obwohl die Beschreibungen von Lindberg und dem Fahrzeug recht vage waren und nicht ganz übereinstimmten.
Er kehrte um und joggte am Fluss entlang zurück. In Höhe der Seemannskirche verlangsamte er, lehnte sich an einen Steinpoller und betrachtete die frühen Pendler auf ihrem Weg zum Hauptbahnhof.
Er versuchte, sich Lindberg vorzustellen, wie er aus dem Transporter gestiegen war und sich aufmerksam umgesehen hatte. Dann der unvermittelte Angriff auf den Polizisten. Ohne innezuhalten musste er über die Straße gerannt sein und sich, noch ehe jemand hätte eingreifen können, über den Zaun zu den Gleisen geschwungen haben. Er musste den einfahrenden Zug bemerkt und eiskalt darauf spekuliert haben, dass er es noch rechtzeitig über die Gleise schaffen würde.
Und dann? Alles deutete darauf hin, dass er sich in aller Ruhe in den Strom der Berufstätigen eingereiht hatte, die von den Bahnsteigen kamen. Ohne Hast musste er den Wartesaal durchquert haben, über den Centralplan gegangen und in den Seitenstraßen verschwunden sein. Oder aber er war zu einem wartenden Auto geschlendert und ohne Eile eingestiegen.
Peter Larsson dachte an
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