Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tod im Staub

Tod im Staub

Titel: Tod im Staub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian W. Aldiss
Vom Netzwerk:
seichten Wasser leicht bewegte. Ich seufzte und aß die Suppe, keines Wortes fähig.
    Abdul litt unter einer verzögerten Schockreaktion. Während Thunderpeck sich um ihn kümmerte, lag ich da, blickte zu den Sternen hinauf und fragte mich, warum ich das alles wohl getan haben mochte. Woher kam diese immense Befriedigung, die ich fühlte? Wir waren in einer schwierigen Lage, und doch verspürte ich ein Gefühl des Glücks - warum? Meine wenigen irdischen Güter waren verloren, außer den Briefen Justines an Peter, die ich in der Innentasche meiner Jacke aufbewahrte. Wie kam es, daß ich kein Bedauern verspüren konnte?
    Die einzige Erklärung dafür war, daß das Schiff einer Gesellschaft gehörte, deren Eigentümer der Farmer war. Ich haßte den Farmer, und indem ich das Schiff vernichtete, hatte ich eine kleine Bresche in sein widerwärtiges Dasein geschlagen. Das war die einzig mögliche Form der Rache für das Elend, das ich und Hunderte von anderen durchmachen mußten, als ich als Landarbeiter auf seiner Farm arbeitete. Und ich hatte noch einen anderen, tieferen Grund, den ich allerdings nicht zugeben wollte: Der Farmer wußte, daß ich Jess verraten hatte ... Heute ist all das Vergangenheit geworden, doch damals, an jenem Strand, der kaum weniger kahl und unfruchtbar war als die Felder, die dem Farmer gehörten, begleiteten mich die Erinnerungen an meine Zeit als Landarbeiter (wie man einen Verbrecher höflicherweise nannte) in den Schlaf.
    Vielleicht war das zerschellte Monstrum, das da im Wasser lag, schuld daran, daß ich von der Farm träumte. Der atomgetriebene Frachter war eine mächtige Schöpfung gewesen, und doch war er jetzt dem Untergang geweiht. In dieser Hinsicht ähnelte er der Farm. Aber es gab eine noch tiefer gehende Ähnlichkeit. Beide hatten etwas Primitives an sich, eine nackte Brutalität, mit der oder in der kein Mensch leben kann, ohne davon beeinflußt zu werden.
    Das gewaltige Ungetüm, das dort im seichten Wasser lag, hatte ich selbst gefällt. Aber das Leben auf der Farm war fast mein Untergang gewesen.
    Die Felder waren quadratisch oder rechteckig, mit einer Kantenlänge von vielen Kilometern. Wo ein oder zwei Felder an eine der wenigen Straßen angrenzten, wurde ein ›Dorf‹ gebaut, wie es in der Gefängnissprache hieß; die ›Dörfer‹ waren nichts weiter als Arbeitslager, in die wir am Abend erschöpft zurückkehrten.
    Noch immer höre ich die Rufe der Wachtposten an jenem ersten Abend! Im städtischen Gefängnis hatten wir den Kontakt mit dem Leben verloren - und jetzt dieses verschlammte Lager, in dem wir uns nicht auskannten, dessen Zweck wir nicht ahnten, dessen Gerüche uns fremd waren.
    »Ihr da drüben, beeilt euch! Etwas lebhafter - wenn ihr am Leben bleiben wollt!«
    Während wir taten, was die Stimmen befahlen, noch ein letzter Blick zu dem langen fensterlosen Wagen, der uns hergebracht hatte, den wir gehaßt hatten, während wir halberstickt darin saßen, und doch steigt ein Funken der Sehnsucht in uns auf nach der Sicherheit, die er geboten hatte, während der Motor dröhnend anspringt, knirschend durch das Tor fährt und für immer auf der endlosen Straße verschwindet.
    Seltsame Luftansaug- und -filteranlagen, die allerdings undicht waren, um die Giftschwaden, die von den Feldern hereinwehten, fernzuhalten. Geschrei, Entkleiden, wieder einmal die Kleidung abgeben, wie schon zuvor; der Geruch nackter Körper. Frauen sind auch da, aber die Nacktheit fördert ihr Aussehen keineswegs. Fürchterlicher Tritt gegen meinen Knöchel, panische Eile, die Kleider zu bündeln. Sehnsuchtsvoll, so sehnsuchtsvoll, und doch verlegen - der Wunsch, hinzusehen, die Scheu, hinzusehen ... Dann alle nackt zusammengepfercht, und das ekelhafte Gefühl engster körperlicher Berührung.
    Mehr Geschrei, aber anscheinend schreien sie ohne besonderen Grund, nicht um Ordnung zu schaffen, denn die Befehle sind zu verwirrend. Ein Aufseher saust auf einer Luftkissen-Plattform an uns vorbei, zieht einer Frau den Schlagstock über Brust und Schulter, drischt auf einen Mann hinter ihr ein, der eine Bewegung macht, als ob er sie verteidigen wollte. Wie stumme Tiere werfen wir unsere Kleider auf die Theke, hinter der eine Aufseherin steht. Diese Aufseher waren oft ehemalige Landarbeiter oder -arbeiterinnen, die ihre Strafe verbüßt hatten; unfähig, sich wieder dem Leben in der Stadt anzupassen, taten sie für den Rest ihres zerbrochenen Lebens in den Lagern Dienst.
    Nackt, jetzt haben wir nichts

Weitere Kostenlose Bücher