Tod in Blau
Leipzig vertritt und Ihnen für weiterführende Fragen
gewiss zur Verfügung steht. Untenstehend finden Sie seine Anschrift
und Rufnummer.
Hochachtungsvoll
E. v. Bauditz
»Was für eine
Gesellschaft mag das sein?«, fragte Walther. »Der Name sagt
mir gar nichts.«
»Ich vermute, sie beschäftigt
sich ebenfalls mit germanischer Mythologie«, sagte Leo und warf
einen Blick auf von Mühls Privatadresse. »Falkenried in Dahlem,
das erklärt auch, warum die keinen Ladenburschen in ihrem Verein
wollten.«
Der grüne, im Süden
Berlins gelegene Vorort, der sich nach Westen bis zum Grunewald
erstreckte, war für seine ruhigen, von eleganten Villen gesäumten
Straßen bekannt.
»Wir sollten dem Herrn
einen Besuch abstatten«, schlug Walther vor. »Auf nach
Walhalla!«
»Ja, aber vorher gehe
ich noch ins Kino«, erklärte Leo und griff nach seinem Hut.
Leo legte den Weg vom
Alexanderplatz zum Kurfürstendamm mit einem Dienstwagen zurück,
den er jetzt in einer Seitenstraße abstellte. Manchmal musste man
nur ein Stück mit dem Auto fahren und gelangte so in eine andere
Welt, ohne dass man sich aus Berlin hinausbewegt hätte. Er
betrachtete das hektische Treiben auf dem Boulevard. Die Berliner schienen
von einem Fieber angetrieben, das sie ruhelos vorwärtsdrängte,
vom Taxi ins Geschäft, vom Büro ins Café, von der Praxis
ins Restaurant. Das Filmtheater mit seiner eleganten Marmorfassade lag
schräg gegenüber der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche.
Bewundernd blieb Leo vor einem Plakat stehen, das den Film Der brennende
Acker von Murnau ankündigte. Kein greller Aufmacher, sondern geradezu
ein Kunstwerk, dunkler Hintergrund, als helle Flecken waren nur das
Gesicht eines Mannes, eine Laterne und das blassweiße Gesicht und
die Schulter einer jungen Frau im schwarzen Kleid zu erkennen.
Er betrat das großzügige
Foyer, in dem sich um diese Tageszeit nur wenige Besucher aufhielten, und
erkundigte sich an der Kasse nach Fräulein Hagen. Die Kassiererin
blickte ihn streng an. »So etwas wird hier während der
Dienstzeit nicht geduldet, mein Herr. Da ist der Direktor sehr streng.«
Leo grinste und nahm den Hut
ab. »Es handelt sich nicht um einen privaten Besuch.« Er
zeigte Marke und Ausweis vor. »Und keine Sorge, Fräulein Hagen
hat sich nichts zuschulden kommen lassen.«
Die Kassiererin zog skeptisch
die Augenbrauen hoch und deutete auf eine Verkaufstheke, hinter der eine
junge Frau Süßigkeiten in einem Gestell anordnete. Leo bedankte
sich und ging hinüber.
»Wer sind Sie?«
Sie klang ein wenig verunsichert, als er sie mit Namen ansprach. »Ich
… ich räume das hier auf, weil ich im Saal jetzt nicht
gebraucht werde.«
»Ich komme nicht vom
Direktor«, sagte er und stellte sich vor. »Es geht um Herrn
Carl Bremer.«
Sie löste den Blick von
den Erdnusstütchen, die sie gerade einsortierte, und schaute ihn
erschrocken an. »Ich weiß nicht, was Sie von mir wollen, Herr
Kommissar. Ich habe Herrn Bremer seit einigen Wochen nicht gesehen.«
Ihre grauen Augen sind bemerkenswert schön, dachte Leo beiläufig.
Sollten die Herrn Hanckes Kennerblick tatsächlich entgangen sein?
»Warum nicht, wenn ich
fragen darf?«
»Weil… muss ich
wirklich darüber sprechen? Eigentlich geht es doch nur uns beide
etwas an.«
Manchmal war der kürzeste
Weg der beste. »Dann wissen Sie vermutlich noch nicht, dass man
Herrn Bremer tot aus dem Landwehrkanal geborgen hat.«
Ihre Hand tastete nach dem
Regal, das hinter ihr stand, griff aber ins Leere. Leo beugte sich über
die Theke und stützte sie am Arm, zog einen Hocker heran und half
ihr, sich zu setzen. »Es tut mir leid, Fräulein Hagen, aber es
wäre besser, Sie erzählten mir alles.«
Sie griff sich an den Hals,
als hätte sie Mühe zu schlucken. »Aber wie … War es
ein Unfall?«
Es war wohl ein weit
verbreiteter Irrglaube, dass ständig Menschen versehentlich in den
Kanal fielen. Dabei waren Liebknecht und Luxemburg nicht die einzigen
Mordopfer, die man dort herausgefischt hatte. »Wir gehen von einem
Mord oder Selbstmord aus.«
»Das hat Carl nicht
selbst getan.« Sie klang ähnlich überzeugt wie der alte
Hancke. »Das passt nicht zu ihm.«
»Vielleicht hatte er
Liebeskummer.«
Sie schüttelte den Kopf
und wischte sich flüchtig über die Augen. »Ach was. Wir
haben uns nicht im Streit getrennt. Wir hatten uns …
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