Tod in Blau
bitte mit Fräulein Pabst und zeige ihr die Skizze. Sie war öfter
im Atelier und könnte sie kennen. Ich selbst fahre zu Frau Wegner und
beschreibe sie ihr. Wenn sich bei der Fahndung heute nichts mehr tut,
kannst du danach Feierabend machen und mich zu Hause anrufen.«
Sie zogen Hut und Mantel an
und gingen rasch hinaus.
*
Ein Betrunkener kam aus einer
Kneipe getaumelt und hätte Paul um ein Haar in den Rinnstein gestoßen.
Der Junge drückte sich an die Hauswand, bis sich der Trunkenbold
aufgerappelt hatte und fluchend davongewankt war. Er hatte Angst, konnte
aber nicht zurück. Hier würde ihn der Mann nicht finden, die
Gassen waren zu verwinkelt, es gab noch alte Ställe und Heuböden
aus der Zeit, als die Spandauer Vorstadt Scheunenviertel geheißen
hatte. Außerdem sah der Mann mit dem Auto nicht aus wie einer, der
sich in solchen Gegenden auskannte.
Durch die Löcher in den
Sohlen spürte er das blanke Eis auf den Pfützen. Er lief, ohne
nachzudenken, als würden seine Beine von einem Motor angetrieben.
Irgendwann tauchte zu seiner Rechten ein Bahnhof auf. Dort waren ihm zu
viele Leute, also bog er nach rechts in die erstbeste Straße ab. Und
fand sich in einer anderen Welt wieder.
Er ging langsamer, schaute
nicht mehr auf seine Füße, sondern betrachtete staunend die
fremdartigen Menschen auf dem Gehweg, in den Torbögen und Eingängen
der Geschäfte. Er konnte zwar nicht lesen, doch Erich Oster hatte ihm
die Buchstaben seines Namens beigebracht, und er bemerkte, dass viele
Schilder mit ganz anderen Zeichen beschriftet waren. Männer standen
umher und redeten miteinander. Sie trugen lange Mäntel, Hüte und
dichte Bärte, wie er sie von den Männern im Wedding gar nicht
kannte. Einige hatten komische Locken vor den Ohren baumeln.
Zum Glück schien ihn
niemand zu beachten, so sehr waren die meisten ins Gespräch vertieft.
Vor der Auslage eines kleinen Ladens blieb er stehen und schaute sehnsüchtig
hinein. Sein Atem bildete eine Art Nebel auf der Scheibe. Auf einem
Tablett lagen verschieden geformte Teigtaschen, aus der offenen Tür
wehte ein köstlicher Duft.
Als er die Stimme hörte,
zuckte er zusammen. Eine rundliche Frau mit dunklen Augen und Kopftuch,
die eine blaue Schürze trug, schaute ihn aus der Tür des Ladens
freundlich an und winkte ihn zu sich herein. In den Regalen lagen Brote
und andere Backwaren, alles war eng und dunkel, roch aber lecker. Sie drückte
ihm zwei Teigtaschen vom Tablett in die Hand, legte den Finger an die
Lippen und schob ihn rasch hinaus.
Im Gehen biss Paul gleich in
die erste Tasche, sie war mit Käse gefüllt und schmeckte
wunderbar. Schnell schlang er auch die zweite hinunter und glaubte, schon
ein bisschen Wärme im Magen zu spüren. Doch wo sollte er nun
hin?
Er ging die Straße bis
zum Ende und bog dann nach rechts ab. Als er schon meinte, keinen Schritt
mehr laufen zu können, entdeckte er gegenüber ein Haus, das
ziemlich kaputt aussah. Der Dachstuhl war eingesunken, sämtliche
Fensterscheiben waren zerbrochen, ein Ladenschild baumelte noch schief
über der Eingangstür. Paul eilte über die Straße und
trat durch einen halb verschütteten Seiteneingang, tastete sich über Ziegelsteine und
Schutthaufen, bis er einen Treppenabgang erreichte. Von unten drang dämmriges
Licht herauf. Er nahm allen Mut zusammen und stieg die schmalen hölzernen
Stufen hinunter.
22
Thea Pabst schaute Robert
Walther überrascht an. »Sie haben aber Glück, ich muss
gleich zu einem Auftritt.«
Er drückte leicht gegen
die Tür und trat ein. »Bedaure, aber es ist dringend. Ich werde
Sie nicht länger als nötig aufhalten, Fräulein Pabst.«
Aus dem Wohnzimmer drang die
Stimme von Stephan Castorff: »Wer ist das, Thea? Wir müssen
los.«
Sie führte Walther
hinein. »Sie kennen sich ja. Stephan, der Herr Kriminalsekretär
hat noch einige Fragen an mich.«
Castorff stand vor dem Sofa
und war dabei, eine Tasche zu packen. Ein golden schimmerndes Trikot
blitzte auf, er schob einen Packen Geldscheine hinterher. Walther
erinnerte sich, dass die beiden zurzeit einen recht skandalösen Tanz
aufführten, der mit der Geldentwertung zu tun hatte und in der Presse
ziemliches Aufsehen erregt hatte. Der Tänzer blickte nur flüchtig
hoch. »Ich störe doch nicht, oder? Thea kennt meine
Bettgeschichten ebenso gut wie ich die ihren.«
Walther räusperte sich
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