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Tod in Breslau

Tod in Breslau

Titel: Tod in Breslau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marek Krajewski
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werden abwechselnd hier in der Wohnung
    und dort unten die Stellung halten, bis Maass auftaucht.
    Sollte unser geschätzter Dozent erscheinen, dann halten
    Sie ihn bitte hier fest, und benachrichtigen Sie umgehend
    Mock oder mich.«
    Anwaldt schloss behutsam die Tür hinter sich. Dann
    besann er sich und kehrte noch einmal zurück. Er sah
    Smolorz neugierig an.
    »Bitte sagen Sie mir noch eines: Warum finden Sie den
    Namen Schlossarczyk so komisch?«
    Smolorz grinste verlegen.
    »Ach, nur so. Mir fiel dabei ein: Wenn die Frau schon
    so ähnlich wie Schlosser heißt … ist sie dann vielleicht
    das Schloss, zu dem nur Sie den Schlüssel haben? Oder
    war es der Schlüssel des Barons? Ha ha ha …«

    Breslau, 16. Juli 1934.
    Sechs Uhr nachmittags

    Der Teichäckerpark hinter dem Hauptbahnhof wimmelte
    von Menschen. Hier suchten alle ein wenig Abkühlung:
    die Reisenden, die nur einen kurzen Zwischenstopp in
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    Breslau hatten, die Angestellten der Eisenbahndirektion,
    die Überstunden machten, um endlich ihren erträumten
    Urlaub in Soppot oder Stralsund antreten zu können. Vor
    den Eisbuden lärmten die Kinder, auf den Bänken dräng-
    ten sich die Dienstmädchen mit ihren ausladenden Hin-
    terteilen und auch einige der leichteren Fälle aus dem Be-
    thesda-Spital. Familienväter schmauchten nach der erfri-
    schenden Dusche im öffentlichen Bad oder der Zeitungs-
    lektüre im Lesesaal in der Teichäckerstraße ihre Zigarren
    und schauten verstohlen den träge vorbeischlendernden
    Prostituierten nach. Vor der Erlöserkirche spielte ein
    beinloser Kriegsveteran Klarinette. Als zwei elegant ge-
    kleidete Herren mittleren Alters vorbeispazierten, ließ er in der Hoffnung auf ein größeres Almosen ein Operet-tencouplet ertönen, doch die beiden gingen mit unge-
    rührter Miene an ihm vorbei. Er konnte nur noch den
    Fetzen eines Satzes hören, eine hohe Stimme, die mit
    Nachdruck erklärte: »Gut, Herr Kriminaldirektor, wir
    werden uns diesen Erkin vorknöpfen.« Der Veteran rück-
    te seine Tafel mit der Aufschrift »Verdun – zur Vergel-
    tung!« zurecht und unterbrach sein Spiel. Die Männer
    setzten sich auf eine Bank, von der gerade zwei Halb-
    wüchsige aufgestanden waren. Sie sahen den beiden Bur-
    schen mit ihren Pionierspaten und braunen Hemden
    noch eine Weile nach. Dann setzten sie ihre Unterhal-
    tung fort. Der Musiker spitzte die Ohren, als sich die Fal-settstimme des sehr distinguiert wirkenden feinen Herren
    mit dem sonoren Gebrumm des kleineren, untersetzten
    im hellen Cordanzug mischte, und schnappte über dem
    Straßenlärm die Fragen der hellen Stimme mühelos auf;
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    der tiefe Bass hingegen wurde vom Klappern der Drosch-
    ken, dem Motorenlärm der Automobile und den krei-
    schenden Trambahnen an der Ecke Sadowa- und Boh-
    rauerstraße übertönt:
    »Wenn Sie es wünschen, kann ich mich kundig ma-
    chen, ob unser Gesuchter … was war es noch für eine
    Sprache? … Aha, also Kurdisch spricht.«
    »…«
    »Lieber Herr Kriminaldirektor, schon unser unvergess-
    licher Kaiser Wilhelm hat die Türkei als ›seinen östlichen Freund‹ betrachtet.«
    »…«
    »Ja, ja. Die militärischen Kontakte waren immer schon
    sehr gut. Stellen sie sich vor, noch mein Vater war ein
    Mitglied der Militärmission von General Goltz, der in
    den Achtzigerjahren beim Aufbau eines modernen türki-
    schen Heeres mitgewirkt hat. Danach hat sich die Deut-
    sche Bank erfolgreich in der Türkei verdingt und einen
    neuen Abschnitt der Bagdad-Bahn finanziert.«
    »…«
    »Und heute noch erinnern wir Deutschen uns daran,
    dass der höchste geistige Führer des Islam 1914 zum
    ›Heiligen Krieg‹ gegen unsere Feinde aufgerufen hat. Es
    ist also kaum verwunderlich, dass die höheren türkischen
    Offiziere sich bei uns ausbilden lassen. Ich selbst habe einige von ihnen kennen gelernt, als ich in Berlin war.«
    »…«
    »Aber ich bitte Sie, da können Sie sicher sein! Ich kann
    nicht genau sagen, wann, aber diesen Erkin kriegen wir
    zu fassen!«
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    »Keine Ursache, Herr Kriminaldirektor. Sie werden
    sich hoffentlich eines Tages revanchieren …«

    »Auf Wiedersehen! Wir werden uns sicher in dem von
    uns beiden so geschätzten Haus wieder begegnen, Sie
    wissen schon, wo …«
    Der Veteran hatte das Interesse an den beiden verloren,
    die sich gerade zum Abschied die Hand gaben. Sein Blick
    war auf eine Gruppe angeheiterter Männer gefallen, die
    mit Gummiknüppeln auf ihn zusteuerten. Als sie in seiner
    Nähe waren, stimmte

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