Tod in der Marsch
nicht gestört werden
dürfe. Selbst Christophs drängender Hinweis, dass Gefahr im Verzuge sei und
eine kurzfristige Abstimmung unbedingt erforderlich wäre, konnte die Dame am
anderen Ende der Leitung nicht überzeugen.
Es galt die unabdingbare Dienstanweisung, dass der
Kontakt zur Staatsanwaltschaft, aber auch die Beantragung von Haft- oder
Durchsuchungsbefehlen nur über den Kriminalrat oder seinen Vertreter zu
erfolgen hatte. Also fragte Christoph nach dem Vertreter von Starke.
»Das ist obsolet«, versuchte der Vorzimmerdrachen
vornehm zu wirken, »da der Herr Dr. im Prinzip ja da ist.«
Christoph verfügte über langjährige Erfahrung damit,
wie schwer sich die Bürokratie manchmal tat, doch dass dieser Trott unmittelbar
die Ermittlungsarbeiten behindern sollte, wollte er nicht akzeptieren.
»Das ist mir egal«, fauchte er ins Telefon. »Ich werde
jetzt meine Verbindungen nach Kiel spielen lassen und alles Weitere über diesen
Weg veranlassen.«
Seine Drohung machte Eindruck, und die Stimme der
Sekretärin klang wesentlich umgänglicher, als sie sagte: »Ich werde versuchen,
Herrn Dr. Starke die Dringlichkeit Ihres Anliegens zu übermitteln.«
Es dauerte keine fünf Minuten, bis der Gegenanruf
erfolgte.
Christoph schilderte seinem Vorgesetzten die jüngsten
Ereignisse. Entgegen seiner Gewohnheit unterbrach ihn der Kriminalrat diesmal
nicht. Stattdessen bat er um eine halbe Stunde Bedenkzeit.
Die Zeit verstrich, und aus der halben Stunde war
bereits eine ganze geworden, als er sich wieder meldete.
»In dreißig Minuten bringt Ihnen ein Bote den
Durchsuchungsbeschluss vorbei«, erklärte Dr. Starke knapp, nicht ohne
zusätzlich anzumerken: »Aber glücklich bin ich damit nicht.«
Auch Polizeioberrat Grothe war nicht glücklich,
stellte aber sofort einen Streifenwagen als Unterstützung für die Durchsuchung
ab. Selbst Jürgensen, der Leiter des Erkennungsdienstes, sagte zu, umgehend
zwei Mitarbeiter seines Teams in Marsch zu setzen, nicht ohne dabei durch
heftiges Niesen zu bekunden, dass seine Erkältung immer noch nicht abgeklungen
war.
Sie stimmten sich mit den Kollegen in den anderen
Fahrzeugen über Funk ab, sodass die kleine Kolonne gleichzeitig vor dem großen
Haus am Ende des Dorfes vorfuhr.
Von Dirschau musste sie aus seinem Arbeitszimmer
heraus beobachtet haben, jedenfalls riss er die Haustür schwungvoll auf und kam
ihnen mit großen Sätzen entgegen.
»Was ist hier los?«, schrie er aufgebracht und stürmte
auf Christoph und Große Jäger zu. Christoph wedelte mit dem rosafarbenen
Durchsuchungsbeschluss unter der Nase des Gutsherrn herum, dass dieser einen
halben Schritt zurücktreten musste, um das Dokument genauer betrachten zu
können.
Wie ein Fisch auf dem Trockenen rang er nach Luft und
stieß stakkatoartig hervor: »Das kann nicht wahr sein! Das dürfen Sie nicht!«
Diese Redewendung aus dem Munde von Dirschaus war den
beiden Kriminalbeamten mittlerweile bestens geläufig.
»Das dürfen wir sehr wohl, Herr von Dirschau. Und
jetzt würde ich Sie bitten, sich zurückzuhalten. Erschweren Sie uns die Arbeit
bitte nicht unnötig.«
Der Hausherr machte einen halben Schritt zurück,
breitete die Arme aus und stellte sich ihnen in den Weg. Er wirkte in dieser
Pose absolut lächerlich und sah aus wie ein Verkehrspolizist, der auf einer
belebten Innenstadtkreuzung den Verkehr zu regeln versuchte.
»Halt!« Von Dirschau schien extrem verwirrt. »Halt!«,
rief er nochmals. »Ich werde jetzt meinen Anwalt anrufen, der verbietet Ihnen,
mein Anwesen zu betreten.«
Christoph musste lachen. »Sie dürfen gern Ihren Anwalt
anrufen. Der Kollege wird Sie dabei begleiten.« Christoph nickte einem der
beiden Streifenbeamten zu, der einen Schritt auf von Dirschau zu machte und
damit andeutete, er werde ihm zum Telefon folgen.
Von Dirschau streckte die Hand aus. Mit dem
Zeigefinger wies er in einer Drohgebärde auf Christoph.
»Ich –« Mitten im Wort unterbrach er sich, ließ in
einer resignierenden Geste die Hand fallen, drehte sich um, meinte kurz: »Ach
was«, und trottete mit hängenden Schultern ins Haus zurück, gefolgt von dem
jungen Polizisten.
Christoph wies die Beamten des Erkennungsdienstes kurz
ein und bat sie, sich der drei Fahrzeuge anzunehmen und diese auf mögliche
Spuren zu untersuchen, die auf einen Transport des Opfers schließen ließen.
Sie durchsuchten rasch die Diele und den Teilkeller,
der unter dem Küchenbereich des geräumigen Hauses lag, die große Wohnküche
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