Tod in Garmisch
wissen?«
»Ich bitte darum.«
»Halten Sie sich fest! Wir wissen: nichts ! Ist
das nicht großartig?«
»Äh, wie meinen?« Schwemmer hatte den Verdacht, man
mache einen Scherz auf seine Kosten.
»Also ›nichts‹ ist nicht ganz richtig. Auf
Ihren Mann wurde zweimal geschossen. Und zwar mit verschiedenen Schrotladungen.
Eine traf ihn peripher am Arm, die andere voll im Gesicht, Letzteres wussten
Sie glaub ich schon.«
»Ja. Und?«
»Und dann kann ich Ihnen mitteilen, dass er nicht ertrunken ist.«
»Das überrascht nicht wirklich. Sondern?«
»Ja, das ist ja gerade das Tolle: Ich habe keine Ahnung. Also noch nicht. Die Organe sind durch den Sturz so komplett zerstört, dass er an so ziemlich allem gestorben sein könnte. Was ich
sagen will, Herr Schwemmer: Das ist eine richtige Herausforderung. Da hab ich
noch eine ganze Weile zu tun!«
»Soll das heißen, dass Sie morgen früh noch nicht
fertig sind, Herr Doktor?«, fragte Schwemmer hoffnungsvoll.
»Morgen früh? Aber Herr Schwemmer! Morgen früh kann
ich Ihnen viel mehr sagen! Wir sehen uns ja! Und grüßen Sie Ihre reizende
Gattin von mir.«
»Gattin, ja …«, sagte Schwemmer, aber der Doktor hatte
schon aufgelegt.
Mit dem Wort »Gattin« hatte von Pollscheidt allerdings
einen Knopf bei Schwemmer gedrückt, und er rief sofort im Büro bei Frau Fuchs
an.
Nein, es gab keine dringenden Vorfälle, sie hatte
alles eigenverantwortlich an die Kommissariate weiterverteilt. Und Kollege
Schafmann war gegen ihren Rat nicht zum Arzt gegangen, sondern saß in seinem
Büro.
»Ich habe eine kleine private Bitte, Frau Fuchs. Ich
habe gehört, in Oberammergau gäb es seit einiger Zeit ein neues, besonders
gutes Restaurant. Kennen Sie das?«
»Nein«, war die nüchterne Antwort.
»Nun, liebe Frau Fuchs, dann aktivieren Sie bitte
Ihren dienstlich-kriminalistischen Spürsinn und eruieren Sie, wie es heißt,
wenn möglich.«
»Meinen dienstlich … was?«
»Ich meinte, gucken Sie mal bei Google nach oder so
was. Und wenn Sie es gefunden haben, reservieren Sie bitte einen Tisch für zwei
Personen, für heute Abend.«
»Aber Herr Schwemmer!« Frau Fuchs kiekste begeistert.
»Ist das Ihr Ernst?«
»Wie bitte?« Schwemmer fühlte plötzlich einen Kloß im
Hals. »Äh … einen Tisch für mich und meine Frau.«
»Oh …« Frau Fuchs räusperte sich mehrmals heftig.
»Selbstverständlich, Herr Kriminalhauptkommissar«, nuschelte sie, dann legte
sie auf.
* * *
Im Herrgottswinkel der Küche brannte eine Kerze.
Reserl Meixner saß auf der Bank und betete mit geschlossenen Augen.
Magdalena hatte den Kopf in die Hände gestützt und
schaute ihre Mutter an. Sie sah älter aus als die sechzig, die sie war, wirkte
verhärmt. Sie trauerte immer noch um ihren Mann. Und litt immer noch unter
ihrem Schwiegervater. Magdalena hatte versucht, ihr Alternativen aufzuzeigen,
damals, nach dem Tod ihres Vaters, aber es war für Reserl selbstverständlich
gewesen, bei Maiche auf dem Hof zu bleiben. Der Gedanke an ein eigenes Leben,
vielleicht sogar an einen neuen Ehemann war ihr völlig abseitig vorgekommen.
Doch nun schien es selbst ihr zu viel zu werden, und
Magdalena hatte keine Ahnung, was sie ihr raten sollte.
Reserl schlug ein Kreuz und öffnete die Augen.
»Der arme Hund …«, sagte sie.
»Hast du was zu trinken?«, fragte Magdalena.
»Schnaps«, antwortete Reserl.
»Ich dachte an Saft oder so.«
Reserl stand auf und ging zum Kühlschrank. Sie nahm
eine Kanne heraus und schenkte ihr ein Glas Milch ein.
»Frisch von heit«, sagte sie.
»Danke«, sagte Magdalena.
Reserl stellte die Kanne zurück in den Kühlschrank und
holte dann eine Flasche ohne Etikett aus dem Küchenschrank.
»Oh Gott«, sagte Magdalena. »Brennt der Aschenbrenner
das Zeug immer noch selbst?«
Reserl schenkte sich ein Stamperl ein und trank es im
Stehen aus. Sie schenkte nach, stellte die Flasche in den Küchenschrank zurück und
setzte sich mit dem Glas wieder an den Tisch.
»Wastl hat se lang ned gmeldet«, sagte sie. »Der hod
so viel z’ tun.«
»Ach Mutter …« Magdalena nippte an ihrer Milch.
»Der sitzt an seina Diplomarbeit«, sagte Reserl.
»Er sitzt in Frankfurt und lässt die Mutter eine gute
Frau sein«, sagte Magdalena.
»Was hast nur immer gegn dein Bruder?« Reserl nahm
einen Schluck aus ihrem Stamperl, zögerte eine Sekunde und kippte dann den Rest
hinunter.
»Ich hab nichts gegen Sebastian. Ich lass mich nur
nicht gern …«
»Ja was?«
»Verarschen
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