Tod in Garmisch
halt.«
»Veroarschen. Ha.« Reserl schüttelte den Kopf und
starrte zur Tür.
Von draußen kam das kratzende Röhren eines alten
Dieselmotors. Reserl schüttelte resigniert den Kopf. »Da kimmens. Dann schaug,
wos dem Großvater verzählst, über den Hund.«
Magdalena stand auf und ging hinaus. Ihr Großvater und
Hias standen an der Heckklappe des Lada. Maiche Meixner lud dem Knecht gerade
einen Sack Parasitenvertilger auf den Rücken. Hias trug ihn in die Scheune, und
Maiche drehte sich zu ihr um.
»Was machst scho wieder do? Nix z’ tun im Hotel?«,
fragte er mit seinem derben Spott. Dann sah er sich forschend um. »Wo isn da
Hund?«
»Sento ist krank«, sagte Magdalena.
Ihr Großvater wandte ihr ganz langsam den Kopf zu. Sie
kannte diese Bewegung. Sie wirkte, als drohe der groß gewachsene Mann im Stehen
einzuschlafen. Aber Magdalena wusste, dass er in diesen Sekunden alles
bedachte, was zu bedenken war.
»Was?«, fragte er.
»Er hat Rattengift gefressen, sagt der Tierarzt. Er
hat ihn mitgenommen. Er kümmert sich um ihn.«
»Gift.« Mehr sagte der Großvater nicht.
Hias kam aus der Scheune.
»Hol mir mei Gwahr«, sagte Maiche.
Hias zögerte ein paar Sekunden, doch dann drehte er
sich um und ging zurück in die Scheune.
»Das kommt nicht in Frage«, sagte Magdalena.
»Des hast ned du zum Bestimmen.«
»Doch, das habe ich! Ich werde nicht mit ansehen, wie
du diesen alten Mist wieder ausgräbst! Es geht auch um mich. Du bist ein alter
Mann! Und ich will hier in Frieden leben!«
Ihr Großvater wandte sich wortlos ab und ging in die
Scheune. Magdalena lief ihm hinterher. Hias kam die Leiter herab, das Gewehr
über der Schulter.
»Du weißt doch gar nicht, was passiert ist. Alles
Mögliche kann er gefressen haben. Ich will diesen Quatsch nicht mehr! Auf wen
willst du denn los mit dem Gewehr?«
»I lass mir ned den Hund vergiftn«, sagte ihr
Großvater nur.
Hias stieg von der Leiter. Er stellte sich vor Maiche
Meixner auf und nahm langsam das Gewehr von der Schulter.
»’s is aus, Maiche«, sagte er. »’s is lang vorbei.«
Dann gab er Magdalena die Waffe.
Sie fuhr langsam ins Tal hinunter. Im Radio lief ein
melancholisches Lied, das sie nicht kannte, es war italienisch, und sie
verstand den Text nicht, aber die Melodie machte es zu ihrem Lied. Sie summte
mit und ließ den Wagen einfach rollen. In ihrer Handtasche waren die beiden
Schlüssel zu Großvaters stählernem Waffenschrank. Den Blick, den ihr Maiche
zugeworfen hatte, als er ihr die Schlüssel gab, würde sie nicht mehr vergessen.
Sie hatte Angst, die Liebe ihres Großvaters verloren zu haben.
Sie hatte das Gewehr weggeschlossen und die Schlüssel
eingesteckt. Ihr Großvater hatte ihr den Rücken zugewandt und war in die Küche
gegangen. Dort hatte er die Milchkanne aus dem Kühlschrank genommen, seinen
Becher vollgeschenkt und in einem Zug leer getrunken. Dann war er die Treppe
hochgestiegen, ohne ein Wort zu Reserl oder zu Magdalena.
Auf einmal stand ihr Kleinbus auf dem Parkplatz des
Hotels, und sie konnte sich nicht erinnern, wie sie ihn dort hingebracht hatte.
Langsam stieg sie aus und schloss den Wagen ab. Dann
ging sie ins Foyer.
Der Empfangstresen war nicht besetzt. Sie entdeckte
Andi hinter der Bar, vor der Herr Kant entspannt mit einem Cocktail auf einem
Barhocker saß.
Die beiden sahen sie an und lächelten, jeder auf seine
Weise. Sie wollte weiter, hinauf in ihr Apartment, ging auf die Treppe zu, aber
dann hielt sie inne, drehte um und ging zur Bar.
»Was trinken Sie da?«, fragte sie Herrn Kant.
»Hat mir Herr Weidinger empfohlen. Sehr lecker.«
»Gib mir auch einen, Andi«, sagte sie.
»Ich muss Sie warnen«, sagte Kant. »Das Zeug enthält
keinen Tropfen Alkohol.«
»Schade. Dann eben nicht«, sagte Magdalena.
»Schon wieder ein misslungener Tag?«
Sie senkte den Kopf und lächelte. Eine Antwort konnte
sie ihm nicht geben. Er war ein Gast.
»Ich glaube, sie möchte einen Fernet-Branca«, sagte
Herr Kant.
»Geht klar«, sagte Andi.
Er stellte ihr das Glas vor die Nase, aber sie schob
es weg.
»Ich muss noch arbeiten«, sagte sie.
»Wie steht’s denn mit heute Abend? Meine Einladung
gilt noch«, sagte Herr Kant.
»Tut mir leid«, sagte sie.
»Aber ich wollte doch«, sagte Andi.
»Übernehmen, mein ich.«
»Ja, ich weiß. Die Spät- und die Nachtschicht. Nachdem
du die halbe Tagschicht gemacht hast. Schon klar.«
Andi warf einen Blick auf die schwarze Designerwanduhr
über der Theke.
»Wenn du jetzt
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