Tod in Garmisch
ausnutzt.«
»Was wollen Sie eigentlich? Ja, ich sorge mich um
meine Familie! Auch wenn sie weiß Gott nicht aus Heiligen besteht. Ist das so
verwunderlich?«
Sie sah Kant trotzig an, sein Blick war forschend und
doch freundlich.
»Nein«, sagte er nach einer Weile. »Ich glaube, das
ist überhaupt nicht verwunderlich. Ich hab es nur oft anders beobachtet.«
»Beobachtet?«, fragte Andi leise. »Sorgen Sie sich nicht um Ihre Familie?«
Herr Kant lächelte. »Um mich geht es ja nicht«, sagte
er. Er stand auf und nahm Magdalenas Hand. »Ich darf mich nun empfehlen? Es war
ein sehr angenehmer Abend, Frau Meixner. Und eine reizende Unterhaltung. Ich
danke Ihnen.«
Er deutete einen Handkuss an. Dann wünschte er ihnen
eine gute Nacht und ging hinaus.
Sie sahen ihm verblüfft nach.
»Das war aber ein plötzlicher Abgang«, sagte sie.
»Musst du dir merken. Über Familie sprechen, dann haut
er ab«, sagte Andi.
Magdalena gestand sich ein, dass sie es nicht darauf
angelegt hatte, dass Herr Kant abhaute. Ganz und gar nicht. Dagegen bemerkte
sie einen ziemlichen Ärger darüber, dass er ihr nicht mal die Gelegenheit
gelassen hatte, ihm einen Korb zu geben.
»Das ist aber auch ein arroganter Kerl«, sagte sie und
nippte noch mal an ihrem Glas.
»Kann sein, er kann es sich leisten«, sagte Andi
leise.
Nach dem überreichen Essen war es eine Erleichterung,
die enge Jeans zu öffnen, aber sie hatte ziemliche Mühe, aus den Cowboystiefeln
herauszukommen. Als sie sie endlich von den Füßen hatte, ließ sie sich
rücklings auf ihr Bett fallen, schloss die Augen und atmete ein paarmal tief
durch. Dann nahm sie ihr Handy und rief Wastl an.
Er meldete sich sofort.
»Also was ist los?«, fragte sie.
Er druckste herum, fing die Geschichte in der Mitte
an, wie es seine Art war, ein ums andere Mal musste Magdalena nachfragen, sich
Namen erklären lassen, Orte und Zeiten. Es dauerte, bis sie ein Bild der
Situation hatte, und die war nicht schön.
Wastl arbeitete seit einiger Zeit schwarz in einer
Karosseriebauwerkstatt, in der offenbar auch krumme Geschäfte gemacht wurden.
Wastl blieb da vage, aber Magdalena musste ihre Phantasie nur wenig bemühen, um
sich vorzustellen, worum es da ging.
Und in ebendieser Werkstatt hatte ein Kunde seinen
Wagen für eine Speziallackierung abgegeben.
Einen Aston Martin DBS .
Und Wastl hatte nicht widerstehen können.
»Ein Traum, dieses Auto, wirklich, Lenerl. Und ich
hatte den Schlüssel …«
Er hatte sich den Wagen ausgeliehen. Nach Feierabend.
Ohne jemanden zu fragen, natürlich.
Und leider war es ihm nicht gelungen, ihn in demselben
Zustand wieder zurückzubringen, in dem er ihn mitgenommen hatte.
Streng genommen hatte er ihn gar nicht zurückbringen
können, sondern ihn auf dem Dach liegend neben der A 5 zurücklassen
müssen.
Ihm selbst war übrigens nichts passiert. Nur einen
steifen Nacken hatte er zurückbehalten.
Magdalena schlug ein Kreuz und schickte einen Dank
nach oben, als ihr kleiner Bruder das erzählte, ganz beiläufig, so als sei das
der unwichtigste Teil seiner Geschichte.
Der wichtige Teil war, dass der Aston Martin einem
gewissen Herrn Orlowsky gehörte und dass dieser Herr seinen Wagen sehr liebte.
Zudem war es so, dass Herrn Orlowskys Schuldner ihre
Raten pünktlich zu zahlen pflegten. Denn taten sie das nicht, wusste er Mittel
anzuwenden, die Zahlungen jederzeit sicherstellten.
»Das ist ein richtiger Gangster, Magdalena. Verstehst
du? Kein kleiner Hundsa wie Berni Schedlbauer. Der verkauft Drogen und Frauen.
Der hat Leute mit Knarren. Das hier ist Großstadt!«
»Dann geh zur Polizei!«
»Ich bin doch nicht blöd. Meinst du, die packen den
an? Der hat die Hälfte von denen in der Tasche.«
Magdalena wusste nichts zu sagen. Alles, was ihr durch
den Kopf ging, begann mit »Warum hast du« oder »Wie konntest du«. Aber alle
Vorwürfe nutzten jetzt nichts. Ihr Bruder brauchte Hilfe.
»Komm doch heim«, sagte sie endlich.
»Heim! Ich kann mich in der Stadt besser verstecken.
Die wissen doch, wo ich herkomme. Obwohl, auf dem Hof, da gibt’s wenigstens den
Großvater mit seiner Schrotflinte.«
Magdalena stöhnte auf. »Jetzt red bitte keinen
Unsinn.«
»Ich weiß nicht, was ich tun soll, Lenerl.«
»Hör zu, Wastl: Uns wird etwas einfallen. Irgendwas.
Rechtzeitig. Ich bin für dich da.«
»Danke«, sagte Wastl leise. »Aber du sagst der Mutter
nichts, oder?«
»Wo denkst du hin?«
»Danke«, sagte er wieder.
»Ich hab dich lieb.«
»Ich dich
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