Tod in Garmisch
Liste ansah, schien die Polizei hier
geradezu unterrepräsentiert.
Es gab mehrere
Stadträte, Gastronomen in großer Zahl, Landwirte, Einzelhändler, zwei Künstler,
einen Schriftsteller (bei dem Schwemmer nicht klar war, wie der die aufgeführte
Summe aufgebracht hatte), Lehrer, Beamte aller Art im Dutzend et cetera. Fast
wunderte Schwemmer sich, dass er selbst nicht auf der Liste stand.
Schafmann übrigens
auch nicht.
Frau Fuchs schon,
das machte die Situation ein wenig pikant.
Noch pikanter war
die Tatsache, dass mit Kriminalrat Gollas der für Vermögensdelikte zuständige
Dezernatsleiter der KPI in
Weilheim auch auf der Liste stand.
Die Summen
differierten. Die Spanne reichte von viertausend Euro, was die Mindestsumme zu
sein schien, bis hinauf zu zweihundertfünfundachtzigtausend von Herrn
Allensteiner senior.
Senior, dachte
Schwemmer und markierte den Namen mit gelbem Leuchtstift. Er blies die Wangen
auf und lehnte sich in seinem Stuhl nach hinten. Nachdenklich sah er aus dem
Fenster auf den Wank. Er verglich die Aussicht mit der aus Schafmanns Büro. Er
fand Schafmanns Blick auf die Friedhofskapelle etwas reizvoller, dafür hatte
der die B 2 vor der Nase.
Ich mach jetzt nicht
auf dem Dienstweg die Pferde scheu, dachte er. Er musste in den nächsten Tagen
sowieso nach Weilheim. Da würde er mit Gollas unter vier Augen reden. Dann
konnte der entscheiden, was unternommen wird.
»Wird das Beste
sein«, murmelte Schwemmer, aber er war unzufrieden.
Es klopfte. Frau
Fuchs kam herein.
»Ein Fax für Sie«,
sagte sie.
Er nahm ihr das
Blatt aus der Hand.
»Wo steckt
eigentlich Schafmann?«, fragte er.
»Er kommt später.
Muss zum Arzt.«
»Was hat er denn
jetzt schon wieder?«
»Er hat sich an der
Hand verletzt«, sagte Frau Fuchs fröhlich und ging hinaus.
Schwemmer sah sich
das Fax an.
»Sehr geehrter
Herr Schwemmer« ,
stand da. »Da ich von meinem Bruder Vinz Schedlbauer gestern Nacht eine
E-Mail aus Ecuador erhalten habe, in der er mir sein Wohlsein versichert, sehe
ich keinen Anlass, daran zu zweifeln. Hochachtungsvoll, Anna Schedlbauer« .
Schwemmer verzog den
Mund. Wenn Nanni wirklich Anrufe und Mails gekriegt hatte, war es
nachvollziehbar, dass sie keine Lust hatte, sich einen entstellten Toten
anzuschauen.
Er legte das Fax in
den anschwellenden gelben Aktendeckel, auf den er mit dickem schwarzem
Filzstift » KLAMM « geschrieben
hatte. Dann zog er das Eingangskörbchen zu sich heran. Zuoberst lag ein Bericht
von Dräger über seine Dummy-Versuche oberhalb der Klamm. Schwemmer hatte ihn in
der gestrigen Hektik nach hinten sortiert, was er schon während der Lektüre
bedauerte.
Entgegen Drägers
Vermutung war es in mehreren Versuchen nicht möglich gewesen, einen Dummy von
siebzig Kilo von der Fundstelle der verdächtigen Fußabdrücke aus bis in die
Klamm zu schleudern. Vielmehr war die Plastikpuppe bei zwei von fünf Versuchen
an jeweils der gleichen Stelle zu liegen gekommen, in deren unmittelbarer
Umgebung dann nicht nur Blutspuren und Fußabdrücke der Schuhgröße 45 gefunden
wurden, sondern auch Schrotkugeln der Größe 00.
Bei weiteren
Versuchen war es dann ein Leichtes, den Dummy von dieser Stelle aus in die
Klamm zu werfen.
Schwemmer kratzte
sich am Kinn. Konzentriert versuchte er, die neue Spurenlage zu einem
Gesamtbild zusammenzusetzen, und ärgerte sich sehr, als das Telefon läutete.
Es war eine Kollegin
von der Wache unten.
»Hier ist ein Herr …
Wie war noch mal der Name?«
»Kant von
Eschenbach«, hörte Schwemmer eine entfernte Stimme sagen.
Schwemmers Brauen
rutschten nach oben. »Was will er?«, fragte er.
»Sagen Sie ihm
bitte, es ginge um die Liste, die Herr Bartovic ihm gestern Abend gegeben hat«,
sagte die entfernte Stimme zu der Kollegin.
»Es ist wegen –«
»Ich hab’s gehört.
Bringen Sie ihn rauf. Aber erst in fünf Minuten.«
Er legte auf. Dann
nahm er seinen Notizblock und kritzelte sein bisheriges Tagwerk darauf, denn langsam verlor er den Überblick. Als er auf die Uhr sah, wurde ihm klar, warum.
»Frau Fuchs!«,
schrie er die Tür zum Vorzimmer an, und tatsächlich öffnete sie sich. Frau
Fuchs sah ihn entgeistert an, und er setzte das netteste und
mitleidheischendste Gesicht auf, das er im Repertoire hatte.
»Kaffee. Bitte .
Einen großen. Haben Sie einen fertig?«
»Jawohl«, sagte Frau
Fuchs, wobei ihr Thüringisch das o ziemlich, aber nicht sehr, in Richtung ö drehte.
Schwemmer massierte
seine Schläfen und versuchte sich auf seinen
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