Tod in Garmisch
Schedlbauer-Liste«,
sagte er.
Schwemmer stöhnte auf. »Kommst mal mit was Stichfestem
rüber, oder muss ich erst aus mir rausgehen?«
Der Mann sah sich noch mal um, dann zog er einen
Umschlag aus der Tasche. Er trat noch einen Schritt näher heran. Schwemmer
konnte durch die Maske seine Fahne riechen.
»Sagt Ihnen der Name ISIS was?«, fragte er.
»Ägyptische Göttin«, antwortete Schwemmer.
»Internationale Spezial-Immobilien Schedlbauer. Das
ist eine Tochterfirma der SIS .«
»Die kenn ich«, sagte Schwemmer.
» ISIS hat
Anlagefonds verkauft wie geschnitten Brot. Aber das waren reine
Schneeballgeschäfte«, sagte der Mann. »Die Schedlbauerin macht das seit Jahren.
Und jetzt fliegt ihr alles um die Ohren, weil immer mehr ihre Einlagen
zurückhaben wollen.«
»Um wie viel geht es?«
»Alles in allem ist sie jetzt bei sechzehn Millionen.«
»Und was steht auf dieser Liste? Die Anleger?«
»Ja. Namen und Beträge. Sie verspricht 8,5 Prozent.
Aber seit Jahren ist keiner der Fonds über drei Prozent hinausgekommen. Einige
sind sogar schwer ins Minus gerutscht. Sie finanziert die Rendite mit den neuen
Einlagen.«
»Seit Jahren? Und wieso kommen Sie jetzt damit?«
Wieder sah der Mann sich um. »Wegen diesem Schnüffler.
Ich weiß nicht, was der alles weiß. Aber er hat die verdammt richtigen
Fragen gestellt.«
»Schnüffler? Dieser Kant?«
»Weiß nicht. Er hat sich nicht vorgestellt.«
»Sie reden mit Leuten, die sich nicht vorstellen?«
»Er hatte Argumente …« Der Blick des Mannes huschte
hin und her.
»Hatte Argumente … Herrschaftszeiten, jetzt drehens
sich doch nicht dauernd um. Nach was suchen Sie denn da?«
Der Mann gehorchte. Er zog die Schultern hoch und sah
Schwemmer brav an.
»Woher haben Sie die Liste?«, fragte Schwemmer.
Auf diese Frage war der Mann vorbereitet. Er straffte
sich und sagte tapfer: »Das brauch Sie nicht interessieren.«
Schwemmer zuckte die Achseln. »Na schön. Ich kann’s
mir auch so denken, Herr Bartovic.«
Der Mann ließ die Schultern sinken und glotzte ihn an.
Mit offenem Mund, vermutete Schwemmer, aber das war wegen der Skimaske nicht zu
erkennen.
»Die stammt aus der Anlageabteilung der Bankfiliale,
in der Sie stellvertretender Leiter sind. Und weiter könnte ich mir vorstellen,
dass der Posten Ihres Chefs neu besetzt werden muss, wenn die Liste bekannt
wird. Und dann wären Sie gern erste Wahl.«
Bartovic zog die Maske vom Kopf. Er war
siebenundzwanzig, wie Schwemmer wusste. Seine Haut war glatt und frisch, aber
seine Augen wirkten enttäuscht und müde und alt. Und ängstlich.
»Woher wissen Sie das alles?«, murmelte er.
»Herr Bartovic, ich bin die Polizei. Wir sind nicht ganz blöd. Und wir haben Möglichkeiten. Rufen Sie das nächste Mal nicht von zu Hause
an, wenn Sie was zu verbergen haben. Und gehen Sie morgen früh als Allererstes
zu Ihrer Revisionsabteilung. Das könnte Ihre Karriere vielleicht noch retten.«
Bartovic nickte mit gesenktem Blick. Dann drehte er
sich um und schlich durch den Regen auf seinen Wagen zu.
»Kommen Sie«, rief Schwemmer. »Ich fahr Sie nach Haus.
Sonst muss ich Ihnen auch noch den Lappen abnehmen.«
FÜNF
»Was erwarten Sie
denn von einem Sohn, auf dessen Mutter ein Mordanschlag verübt wurde?«, fragte
Rechtsanwalt Bichlmeier. Seine Wangen glühten.
»Dass er sich an
Gesetze hält zum Beispiel.« Schwemmer war sauer, und wenn Bichlmeier ihn besser
gekannt hätte oder wenn er nur ein bisschen empfänglich gewesen wäre für die
Stimmung anderer Menschen, er hätte den Versuch, seinen Cousin Berni aus dem
Polizeigewahrsam zu holen, anders angefangen. Oder gleich auf Nachmittag
verschoben.
Jedenfalls hätte er
nicht um halb acht morgens vor Schwemmers Büro gewartet.
»Nach Einschätzung
unseres Arztes ist der Herr Schedlbauer Bernhard …«, Schwemmer sah auf seine
Armbanduhr, »… in frühestens zwei Stunden nüchtern genug für eine Vernehmung.
Und ob in zwei Stunden jemand hier dafür Zeit hat, bleibt abzuwarten. Ich
empfehle Ihnen, heute Nachmittag wiederzukommen. Aber nicht zu früh.«
Bichlmeier presste
die Lippen zusammen und verließ grußlos den Raum.
»Schlechte Nerven
hat der Junge«, murmelte Schwemmer.
Er nahm sich die
Liste vor, die ihm den gestrigen Abend verdorben hatte. Bartovic hatte sich
nicht geirrt. Nicht weniger als vier Kollegen standen auf der Liste – was
keinesfalls ehrenrührig für die bayerische Polizei war.
Im Gegenteil: Wenn
Schwemmer sich die anderen Namen auf der
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