Tod in Garmisch
Er kannte das
Meixner Lenerl. Burgls Mutter war mit Lenerls Großmutter befreundet gewesen,
man grüßte sich, wenn man sich sah. Und er wusste, dass Magdalena mit dem
»Lenas« ein wirkliches Risiko eingegangen war. Es war ein zwar kleines, aber
ganz außerordentliches Hotel, dessen Service vielleicht fünf Sterne verdienen mochte,
aber die baulichen Gegebenheiten ließen so eine Bewertung nicht zu. Es gab
keinen Aufzug, und einige der Zimmer waren schlicht zu klein. Auch Parkraum war
nicht gerade reichlich vorhanden am Loisachufer. Magdalena Meixner hatte also
bewusst auf eine Einstufung verzichtet und setzte auf Individualisten, die
etwas Besonderes wollten und es sich leisten konnten.
Schwemmer war mit Burgl im vorletzten Jahr bei der
Einweihung gewesen und hatte die liebevoll und völlig unterschiedlich
eingerichteten Zimmer bewundert. Allein die Badausstattungen mussten ein
Vermögen gekostet haben, und auch die schicke kleine Hotelbar hatte Schwemmer
sehr gefallen. Natürlich hatte das Lenerl zu kämpfen, doch langsam, aber sicher
hatte sie sich einen Ruf in Garmisch erarbeitet. GAP bräuchte mehr von diesen Unternehmern, hatte Burgl
damals gesagt, solche, die nach vorne blickten, statt sich damit zu begnügen,
schöne Berge und Deutschlands einzigen olympischen Wintersportort zu besitzen.
Schwemmer kannte keine konkreten Zahlen, aber es lag
auf der Hand, dass Magdalena bis über beide Ohren in Schulden steckte, und mehr
als viertausend Euro, das musste ihr wirklich wehtun. Und selbst wenn der
Zechpreller irgendwann und irgendwo erwischt wurde, das Geld würde sie doch
nicht zurückbekommen, einfach weil der Mann es nicht hatte.
Schwemmer konnte nicht helfen, und das ärgerte ihn.
»Was Dringendes?«, fragte Schafmann.
»Nicht wirklich.« Schwemmer reichte ihm die Papiere.
»Zechprellerei. Der Täter war schon über alle Berge, als das Hotel angerufen
hat.«
Schafmann nickte und stand auf. »Ich geb’s ans K2«,
sagte er und öffnete die Tür.
»Sag mal … Welchen Wein würdest du zu Fischpflanzerln
mit Lauchgemüse süßsauer trinken wollen?«, fragte Schwemmer.
Schafmann sah ihn entgeistert an. »Das fragst du einen
Mann mit Magenproblemen?« Er schüttelte den Kopf und ging hinaus.
* * *
Magdalena führte Kant die Treppe hinauf in sein
Zimmer. Die Jungs vom Service hatten den Koffer auf dem dafür vorgesehenen
Gestell abgelegt und die beiden Anzugetuis in den Schrank gehängt. Auf dem
Beistelltisch stand ein frischer Strauß Frühlingsblumen in einer chinesischen
Porzellanvase, daneben ein kleiner Teller mit Petit Fours. Das Bett hatte zwei
mal zwei Meter und war mit schneeweißem Leinen bezogen, darüber hing eine teure
Mark-Rothko-Reproduktion.
Das Fenster bot den Blick über die von der
Schneeschmelze wild reißende Loisach auf die Kramerspitz.
Kant öffnete das Fenster, und das Rauschen des Flusses
drang herein.
»Ganz schön laut«, sagte er und schloss das Fenster wieder.
»Die Zimmer nach hinten haben nicht diese Aussicht«,
sagte Magdalena freundlich, »aber wenn Sie möchten …«
»Danke«, sagte Kant. »Oder: Passt schon. So sagt man
doch bei Ihnen?«
Sie wusste das Lächeln in seinen Mundwinkeln nicht zu
deuten. Entweder war Kant ein Riesensnob, oder er nahm sie auf den Arm. Beides
konnte sie nicht besonders leiden, obwohl ein sehr großer Prozentsatz ihrer
Gäste zu der ersten Kategorie zählte.
» W-LAN ?«,
fragte Kant.
»Selbstverständlich«, antwortete Magdalena. »Wenn Sie
Probleme haben sollten, wenden Sie sich jederzeit an den Empfang.«
Kant nickte einigermaßen wohlwollend.
»Frühstück gibt es, wann immer Sie mögen, aber leider
verfügen wir über kein eigenes Restaurant.«
»Welches können Sie empfehlen?«
»Wir haben eine Liste, damit Sie nach Ihrem Geschmack
auswählen können. Ich werde sie Ihnen bringen.«
»Lassen Sie mal … Einen Stern werde ich hier wohl
nicht finden, oder?« Wieder lächelte Kant sie auf seine undurchsichtige Art an.
»Da müssten Sie ins St. Benoît nach Oberammergau. Das
ist nicht besonders weit. Wenn Sie möchten, reservieren wir Ihnen dort einen
Tisch.«
Kant nickte zufrieden. »Ein andermal gern. Heute werde
ich mir erst mal Garmisch anschauen.«
»Wenn Sie keine weiteren Wünsche haben …« Mit einem
Nicken zog Magdalena sich zurück und schloss die Tür hinter sich. Sie blieb,
die Klinke in der Hand, einen Moment stehen und runzelte die Stirn. Aus dem
Mann wurde sie nicht schlau.
Plötzlich bewegte sich die Klinke
Weitere Kostenlose Bücher