Tod in Garmisch
und als der weg war, haben sie
mich erwischt, gerade eben erst. Zwei von Orlowskys Schlägern. Ich kam vom Klo
in dem Laden, wo ich halt war, da kommen die mir entgegen, und ich dachte,
jetzt ist es vorbei, ich konnt ja nirgendwo mehr hin, aber dann haben die mich
einfach vorbeigelassen. Als wär gar nix. Als kennten sie mich gar nicht.
Einfach so. Irgendwas muss passiert sein!«
»Wastl«, sagte Magdalena. »Der Großvater hatte einen
Herzanfall. Er liegt im Krankenhaus. Den Hias hat die Polizei mitgenommen. Sie
haben den Hof durchsucht, weil der Vinz Schedlbauer tot ist, und sie glauben,
dass wir das getan haben. Die Mutter weiß nicht weiter. Komm heim, Wastl.
Bitte. Hilf mir.«
Ein paar Sekunden herrschte Schweigen am anderen Ende.
»Oh«, sagte ihr Bruder dann. »Ja dann … komm ich
halt.«
Er legte auf.
Magdalena starrte das Handy ungläubig an.
Wastl kommt? Das glaub ich erst, wenn er da ist,
dachte sie.
Sie raffte sich auf und stellte sich unter die Dusche.
Als sie nach langen, langen Minuten wieder herauskam,
hatte sie eine Nachricht auf der Mailbox.
Von Wastl.
Ober er Marija mitbringen dürfe?
Ihr Onkel hätte nichts dagegen, weil sie ja jetzt
verheiratet seien.
* * *
Das Mobiltelefon auf Schwemmers Nachttisch weckte ihn
aus einem schweren Traum, in dem eine weinende Frau und ein Zander die
Hauptrolle spielten. Er kämpfte sich aus seinem verknoteten Plumeau und
schaltete die Nachttischlampe an. Einigermaßen erstaunt stellte er fest, dass
das Bett neben ihm leer war.
Er nahm das Gespräch an, ohne aufs Display zu schauen.
Um diese Zeit war’s die Wache. Jeder andere würde die volle Härte des Gesetzes
zu spüren bekommen.
Es war die Wache.
»Mei, entschuldigens scho, der Herr EKHK . Aber mir ham do oan do, der wuil
an Mord gstehn.«
» KDD «,
murmelte Schwemmer.
»Ja scho, aber des bin ja i. Aber i bin alloa do, weil
die andern, die san zum Raubiberfoi in da Ludwigstraß, und i hob denkt, weil
weng dem Doden in da Klamm, des tat Eane scho intressiern.«
Schwemmer rubbelte sich heftig über den Kopf, um
irgendwie wach zu werden. »Wen haben Sie denn da?«, fragte er.
»Den Allensteiner Ludwig. An Junior von der
Kunststofffabrik.«
»Ist er nüchtern?«, fragte Schwemmer.
»I fürcht scho, der Herr EKHK «, antwortete der Kollege vom Dauerdienst.
Der Kriminaldauerdienst war ausgelastet. Allensteiner
war nüchtern. Es gab also keinen Grund, seine Selbstanzeige vorerst abzulehnen.
Es war Viertel nach zwei.
»Dann passens auf, dass er Ihnen nicht wegläuft. Wenn
ich gleich komm, und er ist nicht mehr da, dann …«
»I versteh scho, der Herr EKHK .«
Schwemmer stand auf. Zweieinhalb Flaschen Tegernseer,
dachte er. Dann nahm er das Telefon, um sich ein Taxi zu rufen. »Scheiße«,
sagte er, nachdem er aufgelegt hatte.
Er wiederholte das Wort etliche Male, bevor er angezogen
vor Burgl in der Küche stand.
Sie hob den Blick von dem Papierstapel vor ihr und sah
ihn an. »Oh«, sagte sie. »So dringend?«
»Ja.« Er sah sie unter dem Tisch ihre nackten Füße
aneinanderreiben. »So spannend, dass du dir nicht mal Pantoffeln anziehst?«
»Ja. Das ist wirklich nix für Ratschhaferl«, sagte
sie.
Er sagte nichts: Der Blick, den er ihr zuwarf, musste
reichen, ihre Lippen zu versiegeln. Andere Mittel standen ihm nicht zur
Verfügung. Und eben deshalb würde er auch reichen.
* * *
Magdalena lag im Bett, warm zugedeckt, das Fenster
stand auf Kipp und ließ kalte Luft und das Rauschen der Loisach ein. Manchmal
auch ein Geräusch von Maschinen oder Menschen, ein Hupen, ein Quietschen, ein
Lachen. Sie schaute nicht auf die Uhr, aber sie spürte, dass die Nacht abnahm.
Sie schlief nicht, aber sie war so erschöpft, dass sie es einfach hinnahm, was
wahrscheinlich das Beste war, das sie tun konnte.
Als ihr Handy klingelte, zuckte sie zusammen. Sie
tastete nach dem Gerät und nahm das Gespräch an. Es war Andi, der vom Empfang
aus anrief.
Magdalena runzelte heftig die Stirn. »Ich dachte, Pino
macht Nachtschicht?«
»Pino kann nicht. Ist was dazwischengekommen. Ich
wollt sagen, dass der Herr Kant in die Bar gekommen ist gerade. Er hat nach dir
gefragt. Da dachte ich …«
»Danke, Andi. Ich komme. Sag ihm das. Bitte.«
Sie blieb noch ein paar Sekunden liegen und versuchte,
ein Gespür für ihren Körper zu bekommen. Zunächst fühlte sie Verspannungen im
Rücken, dann die Falten des zerknitterten Bettlakens, dann den Schweiß auf
ihrer Haut.
Es war genau dieses Gefühl, das sie
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