Tod in Wacken (German Edition)
beiden einen Einkaufskorb mit Bierdosen befüllten, die kartonweise an den Frontseiten der Regale aufgestellt waren.
»Es ist dienstlich«, sagte Hendrik und zückte seinen Ausweis. »Die Bananen laufen nicht weg.«
Der Ladeninhaber nickte dem Punk geflissentlich zu: »Bin gleich bei Ihnen. Sofort.«
Die flapsige Antwort »Kein Problem, Opa, keep cool« schien ihn nicht zu stören. Er lotste Lyn und die Männer in die ruhige Ecke mit den Hygieneartikeln und fragte: »Was gibt’s denn?«
»Nur eine Frage zu Ihrem Nachbarn, Herrn Werner Schwedtke. Sein Geschäft ist geschlossen. Zu Hause haben wir ihn nicht angetroffen. Können Sie uns sagen, wo er sich aufhält?«
Die hohe Stirn des Kaufmanns legte sich in Falten. »Der Werner. Ja, da kann ich Ihnen jetzt eigentlich auch gar nicht sagen, wo der steckt. Sein Geschäft ist schon seit vier Wochen zu. Die Frau Rettmann – das ist eine Nachbarin vom Werner im Steenklippen – hat mir erzählt, er ist im Urlaub. Aber gesagt hat er mir nichts.« Er rückte eine Seifenpackung im Regal gerade, während sich die Falten auf seiner Stirn vertieften. »Aber seit der Sache mit Judith ist er sowieso nicht mehr der Alte. Hat sich gar nicht mehr bei mir blicken lassen … Sonst haben wir immer gern mal fünf Minuten geplaudert. Aber seitdem …« Er zog bedauernd die Schultern hoch.
»Wer ist Judith und was ist das für eine Sache?«, hakte Lyn nach einem Blickwechsel mit Hendrik und Thilo nach.
»Judith ist … war die Tochter von Werner«, erklärte der Alte. »Sie hat sich das Leben genommen. Letztes Jahr, kurz vor Weihnachten. Schreckliche Sache. Das ganze Dorf war fertig. Die Schwedtkes sind alteingesessene Wackener. Man leidet einfach mit, wenn das Schicksal so in eine Familie reinfegt.«
»Was ist denn passiert?« Lyn wechselte erneut einen Blick mit ihren Kollegen. »Ich meine … weiß das Dorf auch, warum sie sich umgebracht hat? Zumindest wird es doch Vermutungen geben.«
»Das müssten Sie doch viel besser wissen. Die Polizei war doch gleich da, damals.«
»Das waren andere Kollegen«, sagte Hendrik. »Also, können Sie uns irgendetwas dazu sagen?«
»Tabletten hat sie geschluckt. War der vierte Advent, als der Werner sie morgens in ihrem Bett gefunden hat. Entschuldigen Sie …«, der Kaufmann rief über Lyns Schulter in den vorderen Ladenbereich: »Inka, mach mal den Obststand! Da stehen die Kunden Schlange.« Er warf Hendrik einen tadelnden Blick zu. »Sie kommen jetzt wirklich ungünstig. Nächste Woche hätte ich wieder mehr Zeit.«
»Wir aber nicht«, fuhr Thilo dazwischen, »je schneller Sie unsere Fragen beantworten, desto eher sind Sie wieder bei Ihren Möhren … Gibt es denn Gerüchte, warum die Tochter von Herrn Schwedtke sich das Leben genommen hat?«
Der Kaufmann schürzte die Lippen, während sein Blick die Vorgänge im Laden genau verfolgte. »Die Judith war schon immer ein komisches Mädchen. Jedenfalls seit ihre Mutter weg war. Ist ja auch nicht schön für so ’n Kind, wenn die Mutter einfach abhaut. Ich will mal so sagen: Die hatte einen Knacks weg, die Judith.« Er stellte sich auf die Zehenspitzen und lugte Thilo über die Schulter. »Was kann ich für Sie tun?«
Der Punk mit dem Korb voller Bierdosen stand hinter Thilo und sah sich suchend um. »Ich brauch noch Klopa.«
»Hier!« Thilo bückte sich zu dem Regal, vor dem er stand, und drückte dem Jungen einen Doppelpack Klopapier in die Hand. »Extraweich … Und jetzt«, er wandte sich wieder dem Kaufmann zu und machte eine auffordernde Handbewegung, »weiter im Text.«
»Was ist denn überhaupt los?«, fragte der Alte. »Warum stellen Sie mir all diese Fragen?«
»Wir möchten Herrn Schwedtke sprechen«, sagte Lyn, »aber wir haben ihn weder zu Hause noch in seinem Geschäft angetroffen.«
»Tja, ich kann Ihnen wirklich nicht weiterhelfen«, sagte der Kaufmann. »Fragen Sie am besten seine Nachbarn. Vielleicht wissen die, wo er hin ist.«
»Eine letzte Frage noch«, sagte Lyn. »Wann hat Frau Schwedtke ihren Mann und ihre Tochter verlassen?«
»Herrje, wann war denn das …? Ich würde mal sagen, da war die Kleine zehn. Ja, das muss so fünf, sechs Jahre her sein … Kann ich jetzt weiterarbeiten?«
»Natürlich«, nickte Hendrik. Sie schlängelten sich durch den übervollen Laden.
»Für Ihr Dorf ist das Festival ja eine Goldgrube«, verabschiedete Lyn sich von dem Kaufmann, »aber länger als eine Woche hält man das doch nicht aus, oder?«
Der Alte schüttelte
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