Tod in Wacken (German Edition)
denn?« Er richtete sich auf und entfernte sich einen Schritt von Judiths Vater.
Die Menschen um sie herum blieben stehen und starrten neugierig von dem verwahrlosten Mann zu dem Jungen.
Werner Schwedtke packte Timo erneut am Arm. »Sie wollen mich haben.« Er spie die Worte Timo direkt ins Gesicht, während sein Blick über die Umstehenden hetzte. »Aber sie kriegen mich nicht … Du …«, er presste seine Hände wie Schraubstöcke an Timos Wangen, »du weißt, dass ich alles gut gemacht habe. Das weißt du doch? Ja? Ja?«
Der Druck auf Timos Gesicht wurde so stark, dass ihm übel wurde. Sein Kiefer war so fest zusammengedrückt, dass er kein Wort herausbrachte. Er versuchte mit seinen Händen, Schwedtkes Hände zu lösen, während sein panischer Blick hilfesuchend über die Leute glitt.
Und er hatte Erfolg.
»Ey, Alter, bist du stoned? Nimm die Flossen aus seinem Gesicht.« Ein Metaller in Motorradkutte packte Schwedtkes Handgelenke.
Timo atmete erleichtert aus, als der Druck auf seinen Kopf von einer Sekunde zur nächsten verschwand. Schwedtke hatte seine Hände gelöst, als der Kuttenträger ihn packte. Jetzt wand er sich aus dem nur noch leichten Griff des Metallers und trat zwei Schritte zurück.
»Nein! Nein, nein«, schrie er dabei, und sein Blick bannte den Mann auf seinen Platz. »Fass mich nicht an! Hörst du! Und sonst …«, seine rechte Hand verschwand in der Gesäßtasche seiner dreckigen Jeans. Als sie wieder zum Vorschein kam, hielt er ein Taschenmesser darin. Eine blitzschnelle Bewegung, ein Klick, und schon glänzte die Klinge in der Sonne.
»Weg! … Weg!« Werner Schwedtke sprang nach vorn, seine Hand mit dem Messer zuckte vor Richtung Metaller.
Timo starrte auf den glänzenden Stahl. Wie durch Watte hörte er die Aufschreie der Umstehenden. »Die Polizei!«, rief jemand, »wir brauchen die Polizei. Hier ist ’n Irrer mit einem Messer.«
Werner Schwedtke stand in der Mitte der Menge. Der Metaller zog sich, wie alle Umstehenden, langsam weiter zurück.
Einzig Timo war unfähig, sich zu rühren.
»Komm, wir gehen zu Judith«, stieß Werner Schwedtke aus, mit einem euphorischen Grinsen, dass es Timo die Nackenhaare sträubte. Schwedtke packte ihn am T-Shirt, das Messer weiter auf die Umstehenden gerichtet.
»Weg! Weg!«, fauchte er sich, das Messer vorstoßend, seinen Weg frei, den lethargischen Jungen im Schlepptau.
Schließlich hörte Timo ein Geräusch, das ihm vor Erleichterung das Wasser in die Augen trieb. Polizeisirenen! Das leise Tatü-Tata wurde rasch lauter.
Gleich war dieser Alptraum vorbei.
Bei Werner Schwedtke löste das schnell näher kommende Geräusch offensichtlich gegenteilige Gefühle aus. Er blieb stehen und begann unartikuliert zu schreien.
Noch bevor der Polizeiwagen da war, teilte sich die Menge der Umstehenden, bis sich zwei uniformierte Beamte ihren Weg durch die Leute gebahnt hatten. Nach einem Blick auf das Geschehen, zogen sie ihre Waffen aus den Holstern und entsicherten sie.
»Werfen Sie das Messer weg und lassen Sie den Jungen los!«, rief der Ältere der beiden. »Sofort!«
»Verschwindet!«, kreischte Schwedtke. In seinen Mundwinkeln sammelte sich Schaum. »Verschwindet alle und lasst uns durch. Zu Judith.« Er stieß seinen Arm mit dem Messer nach vorn, allerdings ohne einen Schritt zu machen.
»Messer weg!«, rief der ältere Beamte noch einmal und trat langsam vor.
Das war zu viel Bewegung für Werner Schwedtke. Er löste seine Hand aus Timos Shirt und sprang einen Schritt nach vorn. Sein Blick glitt von dem einen Beamten zum anderen. Einen Moment herrschte Schweigen.
Timo hoffte, dass Werner Schwedtke die Hand mit der Waffe sinken lassen würde. Und für einen Augenblick sah es tatsächlich so aus.
Aber das war ein Trugschluss.
»Ich stech euch ab!«, schrie er, riss das Messer über seinen Kopf und preschte los.
Die Schreie der Umstehenden, zwei peitschende Schüsse, der Aufschrei Schwedtkes, all das ballte sich in Timos Kopf zu einem akustischen Monstrum. Er stand stocksteif, sah, wie sich die Hose von Judiths Vater in Höhe der Oberschenkel dunkel verfärbte. Aber das Grauenvollste war, anzusehen, wie Werner Schwedtke mit zwei Beinschüssen einfach weiter auf die Beamten zustakste. Wie ein blutgieriger Zombie, ohne Schmerzempfinden, nur mit dem Willen zu töten.
Der nächste Knall surrte in Timos Schädel, unmittelbar gefolgt von einem weiteren. Und endlich blieb Schwedtke stehen. Langsam senkte sich der Arm, das Messer fiel mit
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