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Tod und Teufel. Bundesausgabe.: Ein Krimi aus dem Mittelalter.

Tod und Teufel. Bundesausgabe.: Ein Krimi aus dem Mittelalter.

Titel: Tod und Teufel. Bundesausgabe.: Ein Krimi aus dem Mittelalter. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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Augenblick den prachtvollsten Sternenhimmel vor sich aufgehen sah. Er riß ihr den Rettich aus der Hand und schleuderte ihn gegen seine Verfolger, während er zugleich einen seitlichen Satz vollführte und zwischen Stapeln gelber Käselaibe landete. Einen Moment lang sah er in das entsetzte Gesicht des Händlers, rollte sich ab und stieß ihn aus dem Weg.
    »Dieb!« kreischte die Frau hinter ihm. »Er hat mir meinen Rettich abgenommen! Mein schöner Rettich!«
    Rettich! Rette dich!
    Jacop wartete nicht ab, ob die Männer ihm über die Käsestände folgten, sondern rannte zwischen den funkelnden Pyramiden der Eisenhändler hindurch ins südliche Faßbindergäßchen, fort vom Forum in das Labyrinth, welches den großen Markt vom Rheinufer trennte. Hinter sich hörte er Füße über den Lehm scharren. Sie waren immer noch hinter ihm her. Zwecklos, sich zu verstecken, solange sie ihn im Blick hatten. Vor ihm endete die Welt in der großen Faßbindergasse, rechts und links konnte er entwischen. Jacop entschied sich für die Salzgasse, gewahrte einen großen Haufen liegender, sorgfältig übereinandergetürmter Fässer, leer und zur Auslieferung bereit, und jemanden dahinter, der sie auf einem Pergament deklarierte. Er hastete an dem Stapel vorbei und darum herum. Aus dem Gäßchen tauchten eben die Häscher auf, die Gesichter vor Wut verzerrt.
    »Tut mir leid!« sagte Jacop.
    Unvermittelt gab er dem Mann mit der Pergamentrolle einen kräftigen Stoß. Er stürzte, aufschreiend und mit den Händen wedelnd, gegen die Fässer und brachte damit den ganzen Stapel aus der Balance. Mit hohlem Poltern krachte die Konstruktion in sich zusammen. Überund nebeneinander rollten die Fässer den Verfolgern entgegen. Jacop sah ihre erschrokken aufgerissenen Augen, dann schepperte es fürchterlich. Einer ging sofort zu Boden, der andere wirbelte herum und entkam zurück in das Gäßchen.
    Jacop weidete sich nicht lange an dem Schauspiel, sondern sah zu, daß er endgültig wegkam. Mit wenigen Sätzen war er in der Salzgasse und von dort am Fischmarkt.
    Keuchend hielt er inne.
    Wohin jetzt? Was waren das überhaupt für Leute gewesen, die ihm und Jaspar nachgelaufen waren, was hatten sie mit dem Langhaarigen zu tun, und wo war der?
    Ein Irrtum, schoß es ihm durch den Kopf. Sie haben überhaupt nichts damit zu tun, gar nichts! Ein Doppelmord in der Badstube, und dann zwei Kerle, die plötzlich kehrtmachen. Sie hatten sich verdächtig gemacht. Vielleicht hatte man sie gar für die Mörder gehalten.
    Und wer sagte überhaupt, daß die Toten Justinius von Singen und Andreas von Heimerode waren? Jaspar hatte falsch reagiert, das war alles!
    Er hatte ihre einzige Chance vertan.
    »Dieb! Der da!«
    Oder doch nicht? Keine Zeit zum Überlegen. Einer der Männer lief aus der Salzgasse auf ihn zu, hatte es offenbar geschafft, der Fässerlawine zu entkommen. Seine Hand zeigte auf Jacop, aber sein Blick war auf etwas hinter ihn gerichtet. Jacop drehte sich schnell um und sah drei weitere Männer, ähnlich gekleidet wie der erste, die ihn anstarrten.
    »Scheiße«, murmelte er.
    Sie kreisten ihn von rechts und links ein. Zurück konnte er nicht mehr, und vor ihm lagen die Fischbänke dicht an dicht. Daran vorbeizulaufen war nicht mehr möglich. Die Häscher waren zu nah.
    Fisch! Ausgerechnet!
    »Ich mag keinen Fisch«, greinte Jacop. Dann fügte er sich in das Unvermeidliche und hechtete los, nach allen Seiten Knüffe verteilend, geradewegs auf den größten der Stände zu. Hinter ihm erhob sich Geschrei. Die lange Theke, gehäuft voll mit Aalen, Heringen, Makrelen, Welsen und Flußkrebsen, wuchs bedrohlich an, ein stinkender, glitschiger Alptraum, Frauen und Männer dahinter mitten im Verkauf, die ihm ungläubig entgegensahen, mit hängenden Kinnladen, langsam begreifend, daß er nicht vorhatte, seinen Lauf zu stoppen, endlich ihre Ware fallen ließen und hastig zur Seite wichen, die Hände zum Schutz erhoben –
    Jacop sprang.
    Unter ihm zog der schwarze Schlangenhaufen der Aale vorbei, das zackige rote Meer der Krebse und Langusten, die silbrige Sardinenflut. Endlos schien diese Theke zu sein, als baue ein grausamer Teufel, wann immer Jacop ein Stück übersprungen hatte, ein neues hintendran, und immer andere Sorten von Meeresgetier warteten auf ihn, begierig, ihn zu verschlingen und in Schleim zu ertränken, und er streckte sich und betete um Flügel. Dann sank er nach unten, und immer noch war kein Ende abzusehen, die Welt war ein Ozean ohne

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