Tod und Teufel. Bundesausgabe.: Ein Krimi aus dem Mittelalter.
zum Kopf und nahm mit einer schlichten Gebärde Hut und Schleier ab, und die Welt erblickte das Geheimnis, und das Geheimnis erblickte die Welt.
Da wußte Jacop, daß es einen Gott gab.
Er fühlte es in seinem kleinen Körper, er ward durchdrungen von der Liebe und der Ehrfurcht gegenüber dem wahrhaft Schönen, trank aus dem Kelch der Labsal und der Barmherzigkeit, wurde sich seines kleinen pochenden Herzens bewußt und dem Fieber auf seiner Stirn, kostete die unendliche Gnade des Allmächtigen, verging in der Seligkeit des verliebten Toren, der nichts will als alles, und das sofort.
Sie standen und staunten, und Jacops Mutter vergaß den Mann mit dem Karren, der sie zurückfahren wollte, und Stunden später war er längst fort. Sie mußten wandern. Nach Worringen war es zu Fuß mehr als weit, zumal für Jacop, dessen Herz um so vieles größer war als seine Puste, und der sanft einschlief in der Nacht, als sie unter einer Eiche saßen, Isabella im Herzen und die Hoffnung, daß es Gott am Ende doch noch gut meint mit den Menschen.
Sie erreichten den Hof am späten Nachmittag des folgenden Tages.
Der Bauer schlug sie, bis sie zusammenbrach. Er schrie sie an, was um alles in der Welt sie sich dabei gedacht habe, so lange fortzubleiben. Sie antwortete nicht. Es gab keine Worte mehr für dieses Leben, und keine für das andere, auf das sie einen Blick geworfen hatte, einen einzigen, fatalen Blick.
Wenige Tage gingen ins Land.
Dann starb sie.
Jacops Mutter ging dahin ohne ihr Lächeln, und der Bauer stand daneben mit steinernem Gesicht.
Von diesem Tag an war das Leben auf dem Hof die Hölle. Im folgenden Jahr kam das Fieber zurück und raffte weitere Geschwister Jacops dahin. Dem jüngsten erging es noch übler, als es in seiner Mulde saß und der Henkel des Kessels über dem Feuer brach. Eine Flut kochenden Wassers überschwemmte den Boden und die Mulde. Diesmal kam der Pfarrer nicht. Es hieß, er habe sich um wichtige Belange der Allmende zu kümmern und werde voraussichtlich erst um den nächsten Vollmond erscheinen können. Jacops Vater wartete nicht so lange, und hinter dem Haus entstand ein weiteres, kleines Grab. Danach sprach er überhaupt nicht mehr, und es gab niemanden, der noch etwas mit ihm zu tun haben wollte. Irgendwann hörte Jacop von anderen Kindern, sein Vater sei ein Hexer und habe vermutlich diverse Leute in Schweine verwandelt, um auf diese Weise seinen Viehbestand zu mehren. Jacop galt plötzlich als suspekt. Rote Haare waren nicht eben ein Zeichen frommer Gesinnung: Man begann, mit Steinen nach ihm zu werfen, ohne daß er wußte, warum.
Dann klopfte eines Tages einer an die Tür, der auf Wanderschaft war, um ein Lager bat und Neuigkeiten aus Köln brachte. Was immer seinen Vater in diesem Moment trieb, ob es die unerbittliche Einsamkeit war oder vielleicht die immer größer werdende Angst um sein Leben, weil man ihn der schwarzen Künste verdächtigte, jedenfalls bot er dem Landfahrer an, einige Tage zu bleiben. Als Gegenleistung für die Unterkunft und das harte, dunkle Bauernbrot erzählte der Mann unablässig, was sich in der Welt zutrug, und sein Vater hörte – schweigend wie immer – zu und schüttelte nur ein ums andere Mal den Kopf.
Auch Jacop hörte zu, atemlos und mit leuchtenden Augen. Derart merkwürdige Geschichten waren es, die in der dunklen Stube plötzlich lebendig wurden, daß er jedes Wort begierig in sich aufsog, ohne daß sein kindlicher Verstand das Mindeste begriff. Und doch spürte er zugleich wieder die Faszination einer fremden, aufregenden Welt, in der alles von ungeheurer Komplexität zu sein schien.
So erfuhren sie, daß Erzbischof Heinrich von Müllenark, hoch verschuldet bei den römischen Kaufleuten, gestorben und Konrad von Hochstaden neuer Erzbischof zu Köln geworden war, ein rigoroser junger Mann, von dem man sich die abenteuerlichsten Dinge erzählte. Glaubte man den Berichten des Landfahrers, war dieser Konrad ein ziemlich krummer Hund, gewalttätig und gefährlich, der auch vor einem opportunen Unfall nicht zurückschreckte. Bis zu seiner Wahl hatte er das Amt des Propstes von St. Maria ad gradus bekleidet und wohl irgendwann beschlossen, das reiche nicht für einen Mann von seinen Fähigkeiten. Im folgenden übertrug er sich von eigenen Gnaden auch noch das Amt des Dompropstes, obgleich da schon einer saß und von Rechts wegen eingesetzt war. Konrad störte das nicht im mindesten. Er legte dem alten Dompropst nahe, gefälligst sein Haus zu
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