Tod und Töttchen - Westfalen-Krimi
ihn Kaffee und stellte eine
Schale mit Gummibärchen dazu. Dann verließ sie wortlos den Raum.
»Aber jetzt zu etwas völlig anderem«, sagte ich. »Hier in Münster
wird die politische Landschaft derzeit überschattet vom mysteriösen Tod eines
ihrer populärsten Köpfe, Herrn Diethardt Noteboom.«
Erwartungsgemäß verfinsterte sich Strumpfs Miene, die Furchen in
seinem Gesicht wurden zu Canyons. Noteboom hatte ihm zu oft die Schau
gestohlen, sollte das immer so weitergehen? »Also wissen Sie, ich …«
»Nun, es gibt da so Gerüchte«, half ich ihm auf die Sprünge.
»Vielleicht haben Sie sich ja schon gefragt, wieso wir in unserer Serie über
politische Talente einen wie Brüderle haben, aber keinen Noteboom.«
Strumpf nickte. »Warum nicht?«
»Ich darf Ihnen im Vertrauen sagen, dass wir noch eine andere Serie
planen. Eine über Skandale, die Talente zerstört haben: Uwe Barschel,
Karl-Theodor zu Guttenberg, Christian Wulff und …«
»Diethardt Noteboom. Und von welchem Skandal soll die Rede sein?«,
erkundigte er sich gierig.
»Also das ist ja alles noch nicht so ausgemacht«, antwortete ich
vage. »Da sind wir ein bisschen darauf angewiesen, die eine oder andere
Information zugesteckt zu bekommen. Sie waren doch mit Noteboom recht
freundschaftlich verbunden?«
»Na ja«, wehrte Strumpf ab. »Freundschaftlich verbunden trifft es
wohl nicht so ganz. Kann man wirklich freundschaftlich verbunden sein mit einem
Menschen, der einen zuerst ins Boot holen will und einem dann sämtliche
Wahlkampfthemen klaut? Gegen eine sportliche Gegnerschaft ist doch nichts
einzuwenden, aber wenn einer es darauf anlegt, die Lebensgrundlage einer Partei
zu zerstören, indem er sich ihres Wahlprogramms bemächtigt, dann ist das wohl
eher Demokratie-Piraterie. Und die ist nicht hinnehmbar.«
»Dann wäre wohl die Formulierung ›Feinde bis aufs Messer‹
angebrachter?«, schlug ich vor.
»Auf solche Feinheiten kommt es jetzt doch nicht an«, meinte Strumpf
großzügig und nahm sich ein paar Gummibärchen. »Bedenklicher aus meiner Sicht
ist vielleicht Diethardts Leichtfertigkeit im Umgang mit prominenten Freunden.
Seine Nähe zur privaten Wirtschaft.«
»Da haben wir doch schon etwas«, sagte ich. »Würde es Ihnen etwas
ausmachen, Namen zu nennen?«
»Mir fällt vor allem Franz Schubert ein.« Strumpf lächelte
gönnerhaft. »Sie denken jetzt, wo ist die Verbindung von einem MSP -Politiker zu dem berühmten Komponisten?«
»Sie meinen Schubert, den Weihnachtsmagnaten.«
»Genau den. Die beiden sind Duzfreunde. Schubert hat Noteboom zwei
Urlaube finanziert, einen in seinem Luxusferienhaus in Mechernich in der Eifel
und dann noch einen zweiwöchigen Aufenthalt in seiner Finca auf Mallorca. Da
hat er dann auch noch die Anreise bezahlt, die mit einer Jacht von Genua aus
erfolgte.«
»Sie sind ja gut informiert.«
»Das muss man in meiner Position auch sein. Sehen Sie, Herr, eh …«
»Frings.«
»Dieser Schubert ist durchaus kein unbeschriebenes Blatt. Bisweilen
war sogar von mafiösen Strukturen die Rede, die in seinem Unternehmen herrschen
sollen. Der Mann ist nicht zimperlich, so viel steht fest. Sehen Sie diese
Fruchtgummis?« Er hielt mir eins der Gummibärchen unter die Nase. Genau besehen
war es gar kein Gummibärchen, sondern ein kleiner Fruchtgummi-Weihnachtsmann.
»Eine Spende aus dem Hause Schubert.« Das bunte Ding verschwand in seinem Mund.
»Aber ich bin nicht käuflich.«
Er hatte die Betonung sehr auf das Wort »ich« gelegt.
»Tja, das wär’s fürs Erste.« Ich erhob mich und schüttelte ihm die
Hand. »Vielen Dank für das Gespräch, Herr Strumpf. Ach ja – noch eine letzte
Frage: Wer von Ihnen beiden wird das Rennen machen, Sie oder die Bolzenius?«
Wieder das generöse Lächeln. »Die Antwort auf diese Frage möchte ich
doch lieber den Wählerinnen und Wählern überlassen.«
»Sie meinen den Autofahrern.«
»Autofahrer in meinem Sinne«, nickte er. »Ich bin zuversichtlich, am
Ende werden die besseren Argumente entscheiden.«
»Sie denken also nicht darüber nach, Ihren Hut aus dem Ring zu
nehmen?«
»Den Hut?« Das Lächeln versiegte abrupt. »Wie kommen Sie auf diese
Idee?«
»Jedenfalls danke noch mal für die Gummibärchen.«
»Aber Sie haben sie ja nicht mal probiert.«
Im Vorzimmer winkte ich Frau Knesebeck zum Abschied zu. Dabei
streifte mein Blick einen Stapel Visitenkarten auf ihrem Empfangstresen. Der
Namenszug ließ mich genauer hinsehen: J. W . Gorbitsch , Political PR
Weitere Kostenlose Bücher