Todesbraeute
schließlich. »Also gut. Ich rufe die Rechtsmedizinerin an. Sie wollte gegen zehn anfangen, also können wir sie vielleicht noch vorher erwischen.« »Danke.«
Montag, 29. Januar, 9.45 Uhr
»Bitte hier entlang.« Dr. Felicity Berg trat einen Schritt zur Seite und ließ Alex Fallon durch die Tür in den Raum vorangehen, der an den Autopsiesaal angrenzte. Daniel folgte ihr. »Sie können sich setzen, wenn Sie möchten.« Daniel beobachtete, wie sich Alex umsah und einen Blick auf den Vorhang vor der großen Scheibe warf. »Danke, aber ich möchte lieber stehen«, sagte sie. »Ist sie so weit?« Sie gab sich cool, diese Alex Fallon. Und sie hatte ihm den Schock seines Lebens verpasst.
Sie ist es, hatte er nur denken können, als sie zu ihm aufgesehen hatte. Er konnte von Glück sagen, dass er sich nicht noch lächerlicher gemacht hatte. Als sie gesagt hatte, er habe ausgesehen, als wäre er einem Geist begegnet, hatte sie den Nagel auf den Kopf getroffen. Sein Herz schlug noch immer unregelmäßig, wenn er sie ansah, aber er konnte es nicht lassen.
Bei genauerer Betrachtung unterschied sie sich natürlich von dem Foto ihrer lächelnden Schwester als Teenager. Sie war dreizehn Jahre älter, aber das war es nicht allein. Ihre Augen hatten zwar die gleiche Whisky-Farbe wie die ihrer Schwester, aber es lag etwas anderes darin. Das Mädchen auf dem Foto hatte vergnügt ausgesehen. In Alex Fallons Augen gab es kein Lachen.
Vielleicht hatte es in ihrem Blick einmal dasselbe spitzbübische Funkeln gegeben. Aber vor dreizehn Jahren hatte diese Frau Schlimmes erlebt, und nun war sie kühl und beherrscht.
Er hatte bei ihrem Gespräch miterlebt, wie verschiedene Gefühle - Angst, Ärger, Erleichterung - aufgeblitzt waren, aber sie hatte sie ebenso rasch wieder unter Kontrolle gebracht. Was mochte ihr wohl jetzt gerade durch den Kopf gehen?
»Ich sehe nach«, sagte Felicity und schloss die Tür hinter sich.
Sie waren allein.
Alex stand ruhig vor dem verhängten Fenster. Ihre Arme hingen herab, doch die Fäuste waren geballt, und Daniel musste plötzlich gegen das Bedürfnis ankämpfen, ihre Finger zu lösen.
Sie war eine schöne Frau, dachte er. Endlich konnte er sie betrachten, ohne ihren Blick auf sich zu spüren. Ihre Augen hatten ihn erschüttert, sie hatten mehr gesehen, als er sich für sie wünschte. Ihre vollen Lippen schienen selten zu lächeln. Sie war schlank, wenn ihr strenges schwarzes Kostüm auch das meiste ihrer Figur verhüllte. Ihr Haar hatte genau wie das ihrer Schwester die Farbe von dunklem Karamell und fiel ihr in dicken, glänzenden Wellen über den Rücken.
Weil der Gedanke, ihr Haar zu berühren, ihre Wange zu streicheln ... weil der Gedanke ihm tatsächlich durch den Sinn ging, schob Daniel die Hände in die Taschen. Sie fuhr leicht zusammen, als er sich bewegte.
»Wo wohnen Sie, Miss Fallon?«
Sie wandte leicht den Kopf, um ihn anzusehen.
»Cincinnati.«
»Und dort arbeiten Sie als Krankenschwester?« »Ja. Notaufnahme.«
»Harter Job.« »Wie Ihrer.«
»Und Sie nennen sich nicht mehr Tremaine.«
Ihre Halsmuskeln bewegten sich, als sie schluckte. »Nein. Ich habe meinen Namen geändert.«
»Wann haben Sie geheiratet?«, fragte er und erkannte, dass er den Atem anhielt.
»Ich bin nicht verheiratet. Ich bin nach dem Tod meiner Schwester von meiner Tante und meinem Onkel adoptiert worden.«
Sie war nicht verheiratet. Es spielte keine Rolle. Nur dass es doch eine Rolle spielte. Tief im Inneren spürte er, dass es eine verdammt große Rolle spielte. »Sie haben gesagt, dass Ihre Stiefschwester eine Tochter hat. Hope.« »Ja. Sie ist vier. Das Sozialamt hat sie am Freitagmorgen in einem Schrank entdeckt. Sie hat sich anscheinend dort versteckt.«
»Und die Behörden glauben, Bailey hat ihre Tochter allein gelassen?«
Ihre Kiefer spannten sich an, ihre Fäuste ebenso. Selbst im Dämmerlicht des Raumes sah er, dass die Knöchel weiß hervortraten. »Ja. Aber Hopes Kindergärtnerin meint, Bailey hätte das unter keinen Umständen getan.« »Und Sie sind sofort hergekommen, um sich um das Kind zu kümmern?«
Nun endlich sah sie ihn direkt an, lange und eindringlich, und er wusste, er hätte seinen Blick nicht abwenden können, selbst wenn er es gewollt hätte. Sie strahlte eine innere Kraft, eine Entschlossenheit aus, die ihn in ihren Bann zog. »Ja. Bis Bailey wieder auftaucht. So oder so.« Er wusste, dass es keine gute Idee war, nahm aber dennoch ihre Hand und löste die Finger.
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