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Todesdämmerung

Todesdämmerung

Titel: Todesdämmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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und das wirst du bei Gott auch sein! Und was dich angeht, Christine...«
    Evelyn hörte nie auf, ihnen Vorträge zu halten. Immer, jeden Tag. An Festtagen, Geburtstagen, es gab keinen Tag ohne Vorträge, während Christine und Tony wie gebannt dasaßen und nicht wagten, ihr zu widersprechen, weil das nur ihren Zorn anstachelte und zu schlimmen Bestrafungen und weiteren Vorträgen führte. Sie drängte sie gnadenlos, verlangte die größten Leistungen in allem, was sie taten, was nicht unbedingt schlecht war; es hätte möglicherweise sogar gut für sie sein können. Aber wenn sie die besten Noten bekamen, die höchsten Preise, die ausgesetzt waren, gewannen, auf die ersten Plätze im Schulorchester aufrückten, wenn sie all das und noch mehr taten, viel mehr, befriedigte es ihre Mutter doch nie. Das Beste war für Evelyn nicht gut genug. Wenn sie das Beste schafften, den Höhepunkt erreichten, dann machte sie ihnen Vorwürfe, daß sie es nicht früher geschafft hatten, setzte ihnen neue Ziele und behauptete, sie strapazierten ihre Geduld und wollten, daß sie nicht stolz auf sie sein könne.
    Und wenn sie das Gefühl hatte, daß die Vorträge nicht ausreichten, setzte sie ihre letzte Waffe ein - Tränen. Sie weinte und machte sich wegen ihres Versagens Selbstvorwürfe: »Ihr werdet beide ein schlimmes Ende nehmen, und es wird meine Schuld sein, ganz allein meine Schuld, weil ich es nicht geschafft habe, an euch heranzukommen, euch klarzumachen, was wirklich wichtig ist. Ich habe nicht genug für euch getan. Ich habe euch nicht dabei helfen können, das Scavello -Blut in euch zu überwinden, und ich hätte es wissen müssen, hätte es besser machen müssen. Was tauge ich schon als Mutter? Gar nichts, ich bin keine Mutter.«
    ... vor all den Jahren.
    Und doch schien es ihr wie gestern.
    Christine konnte Charlie Harrison nicht alles über ihre Mutter und diese beengende Kindheit in den finsteren Räumen, inmitten des schweren Viktorianischen Mobiliars und der schweren viktorianischen Schuld erzählen, denn dafür hätte sie Stunden gebraucht. Außerdem suchte sie kein Mit leid und war ihrem Wesen nach kein Mensch, dem es gegeben war, die intimen Einzelheiten des Lebens mit anderen zu teilen, nicht einmal mit Freunden, geschweige denn mit Fremden wie diesem Mann, so nett er auch sein mochte. Sie machte nur ein paar Andeutungen über ihre Vergangenheit, schloß aber aus seiner Miene, daß er mehr fühlte und begriff, als sie ihm sagte; vielleicht stand ihr der Schmerz von alledem im Gesicht geschrieben und ließ sich viel leichter davon ablesen, als sie vermutete.
    »Diese Jahre waren für Tony schlimmer als für mich«, erklärte sie dem Detektiv. »Hauptsächlich weil Evelyn neben alledem, was sie von ihm erwartete, auch wollte, daß er Priester wurde. Die Giavettis hatten in ihrer Generation zwei Priester hervorgebracht, und das waren die angesehensten Mitglieder der Familie.«
    Doch auch abgesehen von der Tradition der Giavettis, der Kirche zu dienen, war Evelyn eine religiöse Frau und hätte selbst ohne diese Tradition Tony zur Priesterschaft gedrängt. Sie tat das mit Erfolg, denn er trat unmittelbar nach der Schule ins Seminar ein. Er hatte keine Wahl. Als er zwölf Jahre alt war, hatte Evelyn ihre Gehirnwäsche an ihm vollendet, und es war ihm einfach nicht möglich, sich selbst in irgendeinem anderen Beruf als dem des Priesters vorzu stellen.
    »Evelyn erwartete, daß Tony Pfarrer werden würde«, erklärte Christine. »Vielleicht am Ende sogar ein Monsignore, möglicherweise gar ein Bischof. Wie gesagt, sie hatte hohe Maßstäbe. Aber als Tony seine Gelübde ablegte, bat er darum, Missionar werden zu dürfen, und man erfüllte ihm seinen Wunsch — in Afrika. Mama war wütend! Sie müssen wissen, in der Kirche ist es ebenso wie in der Regierungsbürokratie — man kommt in der Hierarchie gewöhnlich durch geschicktes Ausnutzen politischer Beziehungen nach oben. Aber wenn man in irgendeiner Mission im fernen Afrika feststeckt, kann man natürlich nicht dauernd in den Korridoren der Macht sichtbar bleiben. Mama war wütend.«
    Der Detektiv sagte: »Hat er sich für die Missionarstätigkeit entschieden, weil er wußte, daß sie dagegen sein würde?«
    »Nein. Das Problem war, daß Mama die Priesterschaft als etwas sah, womit Tony ihr und der Familie Ehre bringen konnte. Aber für Tony war die Priesterschaft eine Gelegenheit, anderen zu dienen. Er nahm seine Gelübde ernst.«
    »Ist er immer noch in

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