Todesdrang: Thriller (German Edition)
mehr aus wie Dirk Bukowski«, entgegnete Niklas. »Was für eine Schuhgröße hast du?«
Kurz darauf standen die beiden unten im Flur, und Dirk stieg in ein Paar alte Arbeitsstiefel seines Nachbarn.
»Und?«, fragte Niklas.
»Drückt ein bisschen, aber es wird schon gehen.« Kritisch beäugte er sich im Spiegel. Jetzt bin ich also auch noch optisch zu einem Obdachlosen geworden , schlich sich ein sarkastischer Gedanke durch seinen Kopf. Dennoch musste er Niklas recht geben, er war kaum wiederzuerkennen. Der Zweck heiligte in dem Fall die Mittel.
»Was habt ihr beide denn vor?«, fragte Rosi, als sie aus der Küche kam. Ihr Blick wechselte von Dirk zu ihrem Mann, der mittlerweile wieder seine Mütze trug. »Wollt ihr auf die Jagd gehen?«
»So was Ähnliches«, erwiderte Dirk. »Wir haben rausgefunden, wer der Kerl ist, der mir das alles angetan hat.«
»In den zwei Stunden, in denen ihr da oben gesessen habt?«, fragte sie. »Na, dann kann er ja nicht allzu schlau sein.« Sie sah vorwurfsvoll zu ihrem Mann.
»Niklas war mir dabei eine große Hilfe«, sagte Dirk.
»Ich wäre genial, hat er gesagt.«
»Ach ja?« Rosis Augen verengten sich zu Schlitzen. »Dann sollte er dich mal beim Kartoffelschälen erleben.«
Niklas stöhnte genervt auf.
»Wie spät ist es jetzt?«, fragte Dirk.
Rosi warf einen Blick auf die Uhr in der Küche. »Kurz nach vier.«
»Gut«, meinte Dirk, »es wird gleich dunkel. Ich werde vorsichtshalber hintenraus über die Felder zur Hauptstraße gehen. Da kannst du mich dann ja aufgabeln.«
»Mach ich«, sagte Niklas.
»Hey, ihr beiden!«
Sie hielten auf der Stelle inne und sahen Rosi verwundert an.
»Ich will gar nicht wissen, was ihr beiden Starrköpfe vorhabt und wo genau ihr hinwollt«, sagte sie mit strengem Ton. »Aber bitte versprecht mir eins: Macht keine Dummheiten und kommt heil wieder zurück.«
»Versprochen«, erwiderte Dirk.
»Und pass mir gut auf diesen alten Dickschädel auf, hörst du?« Sie deutete auf Niklas.
»Das mach ich.« Dirk lächelte ihr aufmunternd zu. Dann ging er ins Wohnzimmer und verschwand durch die Terrassentür.
Endspiel
Finales Level
VERGELTUNG
Am selben Tag
1. März
E r saß an seinem Schreibtisch, und seine Finger glitten andächtig über den Schreibblock, den er kurz zuvor aus einer der Schubladen hervorgekramt hatte. Es war einer von vielen Blöcken, die sich mit der Zeit angesammelt hatten. Er schlug ihn auf und überflog die Zeilen darin, die von seiner Handschrift geprägt waren. Schnörkellos und gerade präsentierten sich die Buchstaben auf den linierten Blättern, wie Soldaten, die in Reihe angetreten waren. Knapp vier Jahre waren vergangen, seit er diese Zeilen geschrieben hatte. Es war etwa zu der Zeit gewesen, als sein Vater damit begonnen hatte, ihn halb totzuprügeln. Seitdem war es für ihn eine willkommene Hilfe, um seine rastlosen Gedanken zu ordnen. Ordnung war wichtig, denn sie beruhigte ihn und hinderte den Drang zu töten daran, zu mächtig zu werden. Die dunklen Gedanken, die er in all den Jahren zu Worten geformt hatte, brachten Struktur in seine innere Zerrissenheit und verschafften ihm ein wenig Erleichterung. Es war ein bewährtes Mittel, um seine Dämonen in Schach zu halten. Dabei vermied er es bewusst, diese Texte auf elektronischem Wege zu verfassen, denn sie durften auf keinen Fall in die falschen Hände geraten. Doch schon seit einiger Zeit stellte er fest, dass die Wirkung dieses Ventils nachließ. Der Drang in ihm wurde immer stärker. Seine Finger krallten sich um den Einband des Schreibblocks.
Verdammt!
Wo zum Teufel steckte Bukowski?
Sein Blick schwenkte zu einem der beiden Monitore, die auf dem Schreibtisch standen. Das Fenster, das darauf zu sehen war, zeigte Koordinatenfelder an, mit denen sich Bukowskis Position relativ exakt lokalisieren ließ. Doch diese waren nach wie vor leer.
Kein Signal.
In dem Fenster darunter befand sich eine Audiospur. Über das eingebaute Mikrofon in Bukowskis Handy konnte er alles Gesprochene in seiner Umgebung mithören. Beide Funktionen waren über das Programm möglich, das sich über die getarnte SMS unbemerkt auf Bukowskis Handy installiert hatte. So konnte er jede Unternehmung seines Opfers mitverfolgen. Allerdings nur, solange das Handy eingeschaltet war. Und das war es seit ihrem letzten Gespräch gestern Nachmittag nicht mehr.
Es machte ihn schier wahnsinnig, nicht zu wissen, wo sich sein Opfer aufhielt oder was es als Nächstes vorhatte. Das Spiel schien
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