Todesdrang: Thriller (German Edition)
fortzufahren.
»Ich hatte im Vorfeld gute Erfahrungen mit der Firma ICS gemacht und war dort auch ein paarmal vor Ort gewesen, um mit dem Chefprogrammierer zu verhandeln. Daher wandte ich mich für die Umsetzung auch dieses Mal an sie. Allerdings teilte man mir dort mit, dass man im Moment sehr ausgelastet sei und die zeitlichen Vorgaben nicht einhalten könne. Man verwies mich aber an einen ihrer freien Mitarbeiter, mit denen man in solchen Fällen oft zusammenarbeite. Ich ließ mir also die Telefonnummer des Mannes geben und vereinbarte mit ihm einen Termin in der Bank.«
»Und dabei handelte es sich um diesen Kerl?«, fragte Niklas noch einmal zur Bestätigung.
»Er kam mir von Anfang an komisch vor«, sagte Dirk. »Zunächst wirkte er zurückhaltend, beinahe schüchtern auf mich. Doch als es um das Programm ging und ich ihm erklärte, was genau wir haben wollen, war er plötzlich wie ausgewechselt. Er war ganz in seinem Element. Nur dass er mir ein wenig zu strebsam war. Ich erklärte ihm mehr als einmal, dass es uns nur um eine einfache Umfrage ging, aber er wollte daraus eine komplette Marketinganalyse machen: Browserdaten, Surfverhalten, installierte Software … Ich war regelrecht erstaunt, was man alles über den Besucher einer Website erfahren kann, ohne dass derjenige etwas davon mitbekommt. Allerdings hätte das nicht unserem Vorhaben entsprochen, denn wir hätten wohl kaum das Vertrauen unserer Kunden gestärkt, wenn wir sie ausspioniert hätten. Das entspricht nicht gerade der Philosophie unserer Bank, zumal wir mit den meisten dieser Daten ohnehin nichts hätten anfangen können. Nachdem ich ihm das mit aller Deutlichkeit klargemacht hatte, wurde er ziemlich verschlossen. Er hat mich die ganze Zeit nur so seltsam angesehen. Ich weiß auch nicht … Der Kerl war mir richtig unheimlich. Schließlich habe ich ihm gesagt, ich würde mich gegebenenfalls noch einmal bei ihm melden, was ich natürlich nicht getan habe. Stattdessen habe ich ICS angerufen.«
»Und hast dich bei denen über den Typ beschwert«, mutmaßte Niklas.
»Nicht direkt beschwert, aber ich habe denen gesagt, dass ich von einer Zusammenarbeit mit diesem Mann lieber absehen würde. Nachdem ich ihnen zeitlich etwas entgegengekommen bin, haben sie die Sache letztendlich doch selbst übernommen.«
»Und du denkst tatsächlich, diese Nichtigkeit hat diesem Mann ausgereicht, um dir so etwas anzutun?«
»Es muss einfach so sein«, sagte Dirk, während er noch immer das Foto des Mannes betrachtete. »Die blaue Jacke, die Kappe, seine Computerkenntnisse … Es passt alles zusammen.«
»Und weißt du auch noch den Namen dieses Bettnässers?«
»Ja«, erwiderte Dirk und öffnete bereits ein neues Browserfenster. »Der Kerl heißt Ralf Radny.«
Es dauerte keine fünf Minuten, bis Dirk über die Online-Ausgabe des örtlichen Telefonbuchs die Adresse und die Mobilfunknummer von Radny ausfindig gemacht hatte. Dort war er in einer Nachbargemeinde als freier Programmierer eingetragen. Dirk notierte sich die Daten und fuhr den Rechner herunter.
»Ich gehe nicht davon aus, dass du die Polizei informieren willst«, sagte Niklas.
»Was sollte das bringen? Bis jetzt habe ich nur Vermutungen. Was ich brauche, sind Beweise.«
»Und die glaubst du, dort zu finden?«
»Wir werden sehen.«
»Na schön«, meinte Niklas. »Dann komme ich mit.«
»Das kann ich nicht verantworten.«
»Ebenso wenig, wie ich es verantworten kann, dass du vor diesem Kerl wieder einen Ausraster kriegst und für zwanzig Jahre in den Knast wanderst. Denk an deine Frau. Sie braucht dich jetzt!«
»Ja«, gab Dirk schließlich kleinlaut nach. »Vermutlich hast du recht.«
»Wir werden mein Auto brauchen«, sagte Niklas und ging zum Fenster. »Allerdings steht es vorne an der Straße. Denkst du wirklich, die beobachten dein Haus?«
»Schon möglich. Zumindest werden sie verstärkt eine Streife hierherschicken. Aber da wäre immer noch die Möglichkeit, dass unser Freund da draußen irgendwo herumlungert.«
»Dann sollten wir dafür sorgen, dass dich niemand erkennt.«
Dirk folgte Niklas ins Schlafzimmer. Er öffnete seine Seite des Kleiderschranks und stöberte eine Zeitlang darin herum, bis er schließlich einen olivgrünen Parka und eine gleichfarbige Fellmütze mit Ohrenklappen in der Hand hielt.
»Ist nicht dein Ernst«, sagte Dirk, als Niklas ihm die Sachen entgegenhielt. »Damit sehe ich aus wie ein russischer Schwarzmarkthändler.«
»Hauptsache, du siehst nicht
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