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Todesengel: Roman (German Edition)

Todesengel: Roman (German Edition)

Titel: Todesengel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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ach, zum Teufel damit, es war nur ein blöder Gedanke in einer schrecklichen Situation.« Er seufzte. »Aber die Angst vor der Strafe Gottes … die hättest du mir nicht genommen. Ich hätte bei jedem Husten gedacht, ich hätte Lungenkrebs. Ich hätte bei jeder verpatzten Prüfung geglaubt, dass ich zum Scheitern verurteilt bin. Ich hätte bei allem, was ich an Schönem erlebt hätte, Angst bekommen, dass es mir genommen wird, genau dann, wenn es am meisten wehtut.«
    Victoria schüttelte fassungslos den Kopf. »Oh, Peter … Das kann nicht wahr sein.«
    »Doch. So war es.«
    »Ich hätte dich so gebraucht.«
    Er blinzelte hilflos. »Es ging nicht. Das war ja nicht alles. Ich wusste ja, dass ich … Ein Priester muss keusch leben. Das war das Opfer, das ich bringen musste. Und das hätte ich nicht gekonnt, wenn ich dich wiedergesehen hätte. Dazu habe ich dich viel zu sehr begehrt.«
    »Ah so.« Victoria fühlte ihre Wangen feucht werden. »Toll. Immerhin.« Sie barg ihr Gesicht in den Händen, blieb eine Weile so, wischte sich dann die Augen frei und sah ihn wieder an. »Mit anderen Worten, du hast mich im Stich gelassen, weil du Angst gehabt hast, der Gott, an den du nie geglaubt hast, könnte dir unsere paar Zungenküsse übel nehmen und dass du ein, zwei Mal an meinen Busen gefasst hast.«
    »Wenn man es so formuliert, klingt es ziemlich … drastisch .«
    »Aber es ist nicht unwahr, oder?«
    »Nein. Ist es nicht.«
    Er überlegte, setzte zu einer Erwiderung an, von der Victoria immer noch hoffte, es würde eine Entschuldigung werden, irgendetwas, das ihr ihn wieder näherbrachte. Doch ehe er etwas sagen konnte, schnitt ihm das Knarzen des Kirchenportals das Wort ab.
    Jemand kam. Sie fuhren beide herum, um zu sehen, wer.

37
Es war ein Mann, der, nachdem die Kirchentür mit einem dumpfen Schlag hinter ihm zugefallen war, unentschlossen im Halbdunkel stehen blieb. Er war groß, so viel konnte man sagen, und trug einen voluminösen, irgendwie fleckigen Parka.
    Und er störte. Am liebsten hätte Victoria ihm zugerufen, er solle wieder gehen, aber erstens tat man das in einer Kirche nicht, und zweitens hätte es sowieso nichts mehr genützt: Die Unterbrechung hatte die Intensität ihres Gesprächs unwiderruflich zerstört.
    Der Mann setzte sich zögernd in Bewegung, kam mit behutsamen, abwägenden Schritten den Mittelgang entlang. Das Geräusch, das seine Schuhe machten, hallte durch das Kirchenschiff, löschte alle anderen Laute aus.
    Etwas an der Art, wie er sich bewegte, kam Victoria bekannt vor. Heißer Schreck durchfuhr sie. Diese breiten Schultern … diese Aura von Bedrohlichkeit, die von ihm ausging …
    Einer der Täter von damals!
    Er kommt, um mir das Gesicht zu zerschneiden!
    Sie spürte, wie sie zu zittern begann. Sie hätte doch zu Hause bleiben sollen! Zu Hause bleiben, das hatte sich bewährt, all die Jahre, es hatte funktioniert, es hatte sie geschützt. Was hatte sie nur dazu gebracht, ihr Leben aufs Spiel zu setzen?
    Sie sah sich um. Da, diese Seitentür im Dunkel eines mächtigen Steinbogens: Ging es dort zur Sakristei? Ob die Tür unverschlossen war? Noch konnte sie aufspringen und vor dem Mann hindurch sein, die Bohlentür hinter sich verriegeln, entkommen. Zurück nach Hause, mit einem Taxi, irgendwie. Ihr Herz schlug wild, ihre Finger kribbelten.
    Der Mann blieb stehen. Erst jetzt schien ihm einzufallen, wie man sich in einer Kirche benahm. Er blickte zum Altar, bekreuzigte sich, neigte leicht den Kopf. Kerzenschimmer beleuchtete kurz geschorene Haare.
    Peter neben ihr reckte den Kopf nach vorn. »Ulli?«, fragte er verwundert. »Bist du das?«
    »Ah, Peter.« Das Zögerliche, Angespannte fiel von dem Mann ab, er kam schnellen, leichten Schrittes heran. »Dich hab ich gesucht. Vicky? Du bist ja auch da. So was. Fast ein Klassentreffen.«
    Es war tatsächlich Ulrich. Victoria war außerstande, ein Wort herauszubringen. Sie sah ihn fassungslos an, mit einer Erleichterung, die ihr nachträglich den Schweiß ausbrechen ließ. Groß war er, eine geradezu überdimensionale Ausgabe des pummeligen, schweigsamen Jungen, an den sie sich erinnerte. Seine Gesichtszüge waren noch dieselben, aber härter, wie von einem Bildhauer herausgemeißelt, der eine Vorliebe für scharfe, klare Kanten hatte.
    »Der Kommissar hat erwähnt, dass du jetzt hier Pfarrer bist«, fuhr Ulrich fort. »Dachte, ich komm mal vorbei. Weiß nicht, wieso, ehrlich gesagt. Vielleicht hast du ja auch gar keine Zeit, zu

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