Todesfahrt: Thriller (German Edition)
erschien sowohl ihm wie auch dem Kommandanten der Surcouf als das kleinere Übel. Die Kerle in Europa vor Gericht zu bringen würde diesen nur den Nimbus von Märtyrern verleihen. Zu Hause hingegen konnten sie erzählen, mit welcher Entschiedenheit die weißen Männer ihre Schiffe verteidigten.
Torsten las Jabir dessen Gedanken von der Stirn ab und nickte Hans und Henriette zufrieden zu. »Leute, wir haben unseren Job erledigt.«
»Ich bin froh, dass es vorbei ist. Zu viele Menschen sind dabei ums Leben gekommen!« Henriette schüttelte sich bei der Erinnerung an die Piraten, die sie selbst getötet hatte.
Torsten legte ihr die Hand auf die Schulter und zwang sich ein Lächeln auf die Lippen. »Es war ein elender Job, vor allem, wenn man sieht, wie jene leben, die sich die Fahrt auf einem Luxuskreuzer leisten können, und wie die Menschen in diesem geschundenen Land hausen müssen. Mir ist hier in Somalia klar geworden, warum viele Einheimische zu Piraten geworden sind.«
»Siehst du das nicht zu idealistisch von deren Seite aus, Torsten?«, fragte Henriette leise.
»Wenn ich die Motive der Menschen auf der anderen Seite ergründen soll, muss ich mich in sie hineinversetzen können. Das ist wichtig in unserem Job. Genau genommen sind wir genauso arme Würstchen wie die Kerle, die wir gefangen haben. Sie erledigen die Drecksarbeit für ihre Bosse, wir die für die unseren. Aber jetzt komm! Ich habe Durst und hoffe, wir finden auf diesem Kahn noch eine Wasserflasche, die nicht für Zielübungen verwendet worden ist.«
Damit brachte er Henriette zum Schmunzeln.
Während sie wie altgediente Söldner mit ihren Waffen in den Händen durch das Schiff gingen, trafen sie auf den Bundestagsabgeordneten Dunkhase. »Diese Misthunde gehören alle an die Wand gestellt. Unsere Kabine sieht aus wie ein Schweinestall. Sogar hineingeschissen haben die!«
»Dann nehmen Sie gefälligst einen Besen und eine Schaufel zur Hand und räumen es weg!«, antwortete Torsten kurz angebunden und ließ den Mann stehen.
Die Abgeordnete Blauert gesellte sich kopfschüttelnd zu Henriette und Torsten. »Eigentlich darf ich es ja nicht sagen, weil Dunkhase meiner Partei angehört. Aber mir kommt es so vor, als hätten die Piraten die richtige Kabine als Toilette benützt. Bei den meisten anderen haben sie keine solche Sauerei veranstaltet. Doch jetzt möchte ich Ihnen allen danken. Sobald wir an Land sind, wird sich nicht nur die Presse auf uns stürzen, und dann kann ich es wahrscheinlich nicht mehr tun.«
»Für Sie und viele andere an Bord haben wir es gerne getan, Frau Abgeordnete. Dafür nehmen wir auch den einen oder anderen Stinkstiefel in Kauf!« Torsten reichte der Frau die Hand.
Diese ergriff sie, hielt sie für einen Augenblick fest, dann wandte sie sich Henriette zu und umarmte diese.
Unterdessen waren ihr Mann sowie Charlotte und Jürgen Weigelt herangekommen. Letzterer sah Torsten grinsend an. »Ich hoffe, Sie meinen mit dem Stinkstiefel nicht mich!«
»Sicher nicht«, antwortete Torsten und musste nun auch Weigelts Hand schütteln.
Seine Frau schloss ihn in die Arme und drückte ihn fest. »Danke!«
Ihr Mann räusperte sich. »Du wirst mich auf meine alten Tage doch nicht eifersüchtig machen wollen?«
Charlotte Weigelt drückte Torsten noch einen Kuss auf die Wange und ließ ihn dann los. »Wenn ich dreißig Jahre jünger wäre, könnte ich es mir überlegen. Aber jetzt muss ich mich halt mit dir zufriedengeben.«
»Du … Ich …!«, rief Weigelt aus, doch seine Frau entwaffnete ihn, indem sie ihn umarmte und küsste.
»Wenigstens ein paar Leute, die normal reagieren«, murmelte Torsten und sah dann ein weiteres Paar vor sich. Die Frau kannte er. Es war Maggie Dometer, eine der reichsten Frauen der Republik. Auch der Mann in ihrer Begleitung kam ihm bekannt vor. Dennoch dauerte es ein paar Sekunden, bis er begriff, wer es war.
»Sven, altes Haus! Ich hatte ganz vergessen, dass du ebenfalls auf diesem Kasten bist.«
»Die Reederei hat mich quasi als Pausenclown eingestellt, damit ich dem Publikum von meinen goldenen Tagen als Bundesligaspieler erzähle. Immerhin habe ich es zu zwei Berufungen ins Nationalteam gebracht, nur leider wurde ich nie eingesetzt!«
Bis zu dem Überfall auf die Lady hatte diese Tatsache Sven Kunath auf der Seele gebrannt. Doch in den schrecklichen Tagen in der Gewalt der Piraten war ihm klar geworden, dass im Leben andere Werte zählten. Hätte er nicht die Verantwortung für Maggie
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