Todesfahrt: Thriller (German Edition)
wenn diese Frau tot war, würde sie die Waffe aus der Hand legen und ein friedliches Leben beginnen.
Aber was für eine erbärmliche Existenz würde sie führen müssen?, fragte Dietrich sich. Zu ihren Leuten konnte sie nicht zurückkehren, und an anderen Orten in Somaliland würde sie betteln und vielleicht sogar als Prostituierte arbeiten müssen, um nicht zu verhungern.
Das wollte er ihr ersparen. Deshalb hatte er beschlossen, einen Asylantrag für sie zu stellen und dafür zu sorgen, dass sie nach Deutschland gebracht wurde. Und auch dort durfte er sie auf keinen Fall sich selbst überlassen, sondern musste weiterhin die Verantwortung für sie übernehmen und sich um sie kümmern, bis sie ihr Leben in die eigene Hand nehmen konnte.
Torsten beobachtete, wie die Gedanken des Majors abglitten und sein Gesicht sich entspannte. Das war schon mal positiv, sagte er sich und ließ den Blick schweifen. Die Fremdenlegionäre lagen scheinbar völlig gelassen an Deck, hatten das Käppi über das Gesicht geschoben und schliefen. Oder sie taten zumindest so. Weiter vorne hatte Fahrner sich von einem Franzosen Schuhcreme und Bürste besorgt und putzte seine Stiefel.
»Ich will einen guten Eindruck machen«, sagte er grinsend, als er merkte, dass Torsten ihm zusah.
Auch das ist eine Methode, seine Nervosität zu bekämpfen, dachte dieser und musterte seine eigenen Stiefel. Die hatten es dringend nötig, wieder einmal geputzt zu werden.
»Wenn Sie fertig sind, Herr Fahrner, können Sie das Putzzeug mir geben. Wir sollten unsere speziellen Freunde wirklich nicht mit schmutzigen Schuhen besuchen.«
NEUN
D
ie Nervosität an Bord des Frachters äußerte sich in einem nicht enden wollenden Gemurmel, das bis in den Raum drang, in dem Sayyida mit ihrem Sohn und ihrer Frauengarde Quartier bezogen hatte. Draußen wurde es dunkel, und am Himmel glomm bereits der Abendstern als kleiner Lichtpunkt auf. Bald würden die Feinde in die Boote steigen.
Sayyida versuchte zu schätzen, wie lange die Angreifer brauchen würden. Gerne hätte sie gewusst, wo sich der französische Hubschrauberträger befand, von dem aus sie starten sollten. Doch den Männern an der Radaranlage, die Abdullah Abu Na’im ihr besorgt hatte, war es bisher nicht gelungen, die Tonnerre ausfindig zu machen.
»Also haben die Ungläubigen einen längeren Weg als beim letzten Mal«, sagte sie leise.
Eigentlich waren ihre Worte nur für sie selbst bestimmt, doch ihr Sohn fuhr erschrocken auf. »Wann kommen die bösen Männer, Mama?«
»Bald, mein kleiner Held, bald!«, antwortete Sayyida.
»Ich werde sie alle kaputtmachen!« Der Junge packte seine MP und tat so, als wolle er schießen. Mehrere der Leibwächterinnen duckten sich oder gingen hinter Schränken in Deckung. Doch als der kleine Sayyid den Abzugshahn drückte und sich nichts tat, begriffen sie, dass seine Waffe gesichert war.
»So ist es richtig, mein tapferer Held«, lobte Sayyida den Jungen. Dann stand sie von Nervosität getrieben auf und verließ die Kabine. Vier Leibwächterinnen folgten ihr, während die anderen bei ihrem Sohn blieben.
An Deck gingen die Vorbereitungen für die Verteidigung des Frachters gut voran. Abt al Latif leuchtete Sayyida den Weg mit einer starken Taschenlampe aus. Im Widerschein des Lichts konnte sie sein zufriedenes Grinsen sehen und ärgerte sich über ihn. Es wäre fatal, wenn ausgerechnet der Kommandant ihrer Truppen den Feind unterschätzte.
»Wie weit seid ihr?«, fragte sie.
»Fast fertig! Wir haben genug MGs und Maschinenkanonen aufgebaut, um eine ganze Flotte versenken zu können. Außerdem habe ich an Land zwei Flugabwehrstellungen und weitere schwere Maschinenkanonen aufstellen lassen, mit denen wir die See und den dazugehörigen Luftraum um uns herum unter Feuer nehmen können. Zu jeder dieser Stellungen gehört auch ein starker Suchscheinwerfer. Drei weitere haben wir hier an Bord. Eine Stunde vor dem erwarteten Angriff werden wir die Schutznetze gegen Entertruppen auslegen. Vorerst würden sie die Arbeit an Bord behindern.«
Der Mann hat an alles gedacht!, durchfuhr es Sayyida. Sie hätte erleichtert sein können, doch gerade die Umsicht, die ihr Stellvertreter bewiesen hatte, bereitete ihr Sorgen. Was war, wenn ihre Krieger ihn als den wahren Sieger über die Ungläubigen ansehen würden? Immerhin war er ein entfernter Cousin von ihr und damit ein möglicher Rivale um die Macht.
»Sehr gut, Abt al Latif! Ich bin sehr zufrieden mit dir.« Es fiel
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